Wen rühren die Toten?
Zu „Deutlich weniger Flüchtlinge in Bayern“(Seite 1) vom 8. Juni:
Das klingt doch gut, nach Entwarnung. Endlich hat der Flüchtlingsstrom abgenommen, und – so die naheliegende Vermutung – es machen sich weniger Menschen auf den immer gefährlicheren Weg. Haben sich die Lebensverhältnisse anderswo also gebessert? Das Gegenteil ist der Fall: 2016 sind mit 3800 Toten noch nie so viele Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Die Fluchtursachen wurden also nicht beseitigt. Nur die Politik der Kanzlerin, gepusht durch das Insistieren Horst Seehofers, hat alles unternommen, das Problem von uns fernzuhalten. Aus parteipolitischen und wahltaktischen Motiven. Die Toten des Mittelmeers rühren sie nicht. Horst Seehofer bekannte kürzlich sogar, vor sich und vor Gott im Reinen zu sein! Wie anders erging es da noch Matthias Claudius, der in seinem Gedicht „’s ist Krieg“bekannte: „Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen/ Und blutig, bleich und blaß,/ Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,/ Und vor mir weinten, was?“ Hans Eberhard Roß, Memmingen