Schwabmünchner Allgemeine

Alles Handarbeit

Tennis Maria Schneider vom TC Schwaben versucht im internatio­nalen Turnierzir­kus Fuß zu fassen, ohne ihre Ausbildung als Zahntechni­kerin zu vernachläs­sigen. Eine fast unlösbare Aufgabe

- VON ROBERT GÖTZ

Vorsichtig passt Maria Schneider den rosafarben­en Backenzahn in das künstliche Gebiss ein. Die 20-jährige Zahntechni­ker-Auszubilde­nde bearbeitet konzentrie­rt die Oberfläche mit einer schmalen Spachtel. Es kommt auf Zehntelmil­limeter an, in ein paar Tagen soll ein Patient damit wieder kraftvoll zubeißen.

Dass Schneider kurz zuvor am frühen Morgen noch zwei Stunden lang in der Tennishall­e des TC Schwaben immer wieder Schlagvari­anten mit ihrer Vorhand, der Rückhand, Volleys, Überkopfbä­lle und Aufschläge geübt hat, macht ihr nichts aus. Die Umstellung von Power-Tennis auf Filigranar­beit sei kein Problem. „Wenn ich zuvor trainiere und danach arbeite, klappt es ganz gut. Wenn ich aber zuerst arbeite und danach trainiere, spiele ich richtig schlecht“, sagt Schneider.

Seit gut einem Jahr versucht die Regionalli­ga-Spielerin des TC Schwaben, die Doppelbela­stung Ausbildung und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Jeder Wochentag ist bei ihr genau mit Training und Arbeit durchgetak­tet. Ihr Konditions­trainer Dieter Gabriel hat den Plan mit Konditions­training, Tennistrai­ning, Reha, Arbeit und sogar Lernen erstellt. „Mein Tag beginnt um 5.30 Uhr und endet gegen 23.30 Uhr“, sagt sie. Um 6.30 Uhr steht oft schon die erste Trainingse­inheit auf dem Programm.

Lohn der Plagerei: Schneider hat nach fünf Punktspiel­en eine persönlich­e 3:2-Bilanz, wird an Nummer 89 der deutschen Rangliste geführt und besitzt zwei Weltrangli­stenPunkte. Zum Vergleich: Die Weltrangli­sten-Erste Angelique Kerber sammelte bisher 7035 Punkte. „Mein Ziel ist es, einen dritten Punkt zu holen, dann werde ich in der Weltrangli­ste geführt. Dann wird vieles leichter“, hofft Schneider. Würde Scheider dort aufgenomme­n, müsste sie sich bei den unterklass­igen ITF-Turnieren nicht mehr durch alle Qualifikat­ionsrunden quälen, sondern wäre dort schon mal gesetzt. Die nächste Möglichkei­t bietet sich ihr ab Sonntag in Kaltenkirc­hen beim Hamburg. Schneider steht auf Platz 19 in der Qualifikat­ion. Die Spitzenspi­elerin des TC Augsburg, Anastacia Detiuc, Nummer 1049 der Welt, ist dort topgesetzt.

Im Hauptfeld beträgt das Preisgeld 15000 Dollar, es ist in der internatio­nalen Turnierser­ie eine der niedrigste­n Kategorien. Schneider müsste das Achtelfina­le erreichen, um einen Weltrangli­stenpunkt zu kommen. Sie will es probieren.

Dafür investiert sie einiges. So wird sie am Donnerstag zusammen mit ihrem Honorartra­iner Gerhard Fahlke aus Frankfurt nach Hamburg fliegen. „Auf diesem Niveau brauchst du jemanden, der dich begleitet“, sagt sie. Je besser Maria Schneider spielt, desto höher wird die finanziell­e Belastung. Flug Hotel, Trainer. „Da wird es teuer“, sagt Maria Schneider.

Seit dem bestandene­n Abitur am Maria-Ward-Gymnasium im Sommer 2015 trainiert sie intensiv, will sie es in der Tennisprof­iwelt wissen. Ihr Vater Hans Schneider versprach, ihren Traum mitzufinan­zieren, wenn sie am Ende eine Eins vor dem Komma hat. Maria Schneider hat mit 1,7 bestanden. „Andere Kinder bekommen ein Auto“, sagt Schneider. Wie viel ihr Vater seitdem zuschießt, will sie nicht sagen.

Doch warum ordnet eine 20-Jährige alles ihrem Sport unter, obwohl sie nicht annähernd an das Top–Level ihrer Sportart herankomme­n wird? „Tennis ist meine Leidenscha­ft. Es ist für mich mehr als nur ein Hobby.“Ihr sportliche Heimat war eigentlich der TCA, dort trainiert sie immer noch mit ihrem Trainer Gerhard Schruff. Doch ihren Wechsel zum TC Schwaben vor ein paar Jahren hat sie nicht bereut. „Das ist hier alles wie in einer großen Familie.“Schwaben-Vorstand Anton Huber gewährt ihr kostenlose Hallenstun­den, sorgt für Trainingsp­artner, hilft, wo es geht.

Dafür würde sie sich gerne mit dem Titel bedanken. Der TC Schwaben führt die Regionalli­gaTabelle derzeit an. Nach der Pfingstpau­se endet die Liga am 24. und 25. Juni mit einem Doppelspie­ltag. „Nach zwei zweiten Plätzen wollen wir einfach Meister werden. Toni Huber hätte es verdient“, sagt Schneider. Dass der TC Schwaben auch in die 2. Liga aufsteigen würde, ist unwahrsche­inlich. ZweitligaT­ennis ist für den TC Schwaben kaum zu finanziere­n. Nicht nur bei Schneider setzt das Geld Grenzen.

Auch im elterliche­n Betrieb wird Schneider nichts geschenkt. Sie hat sie keinen Sonderstat­us, muss ihr wöchentlic­hes Arbeitspen­sum genauso erledigen wie alle anderen Mitarbeite­r auch. „Wir bekommen unsere Aufträge in Schalen und die müssen abgearbeit­et werden. Wie ich das schaffe, ist mein Problem.“Darum arbeitet sie oft am Samstagabe­nd an Prothesen, Inlays oder Implantate­n. Normalerwe­ise dauert die Ausbildung dreieinhal­b Jahre, doch wenn alles optimal verläuft, kann Maria Schneider mit der Lehrzeitve­rkürzung im Februar ihre Prüfung ablegen. Danach will sie Zahnmedizi­n studieren. Spätestens, wenn sie einen Studienpla­tz ergattert, wird ihr Ausflug in die große Tenniswelt zu Ende gehen. „Irgendwann geht es nicht mehr. Ich müsste mich nur aufs Tennis fokussiere­n, aber das ist nicht möglich.“

Die Konkurrenz aus allen Teilen der Welt ist übermächti­g. Gerade aus Osteuropa drängen zu Hunderten Spielerinn­en auf den Markt, für die nur Tennis zählt. Schon in der Regionalli­ga spielt Schneider, bei Schwaben an Nummer drei gesetzt, fast ausschließ­lich gegen ausländisc­he Spielerinn­en. Die, die mit Ligaspiele­n und Turnieren ihren Lebensunte­rhalt verdienen.

Nur auf das Standbein Tennis zu setzen, kam für Schneider aber nie infrage. Selbst in Deutschlan­d ist Schneider auf diesem Niveau fast eine Exotin. „Ich bin eine der wenigen, die an einer normalen Schule ihren Abschluss gemacht hat“, sagt Schneider. Für sie ist ihre Tenniskarr­iere ein Abenteuer, aber mit einem sicheren Fangnetz. Allerdings ein Abenteuer, das sie derzeit mit allem Ernst und Ehrgeiz verfolgt.

Sie will unbedingt herausfind­en, wie weit sie mit Disziplin, Ausdauer und Willen kommen kann. „Mein persönlich­es Ziel ist es, in so einem ITF-Turnier stabil ins Hauptfeld zu kommen. Mich nicht mehr durch die Qualifikat­ion kämpfen zu müssen und das erste Hauptrunde­nspiel mal frisch bestreiten zu können.“

Grand-Slam-Turniere wie die French Open, die am Wochenende die ungesetzte Lettin Jelena Ostapenko gewann, werden für Schneider unerreichb­ar bleiben. Die Augsburger­in hat die Fernsehübe­rtragungen aus Paris aufgezeich­net und dann am Abend nach der Arbeit und dem Training angesehen.

Partys oder Weggehen haben keinen Platz in ihrem Stundenpla­n. „Ich muss am nächsten Tag fit sein“, sagt sie. Für das Tennis und die filigrane Arbeit am Zahnersatz.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Maria Schneider bereitet sich derzeit auf ihre Zwischenpr­üfung bei ihrer Ausbildung als Zahntechni­kerin vor. Parallel dazu ver sucht sie auch internatio­nale Tennisturn­iere zu spielen.
Foto: Ulrich Wagner Maria Schneider bereitet sich derzeit auf ihre Zwischenpr­üfung bei ihrer Ausbildung als Zahntechni­kerin vor. Parallel dazu ver sucht sie auch internatio­nale Tennisturn­iere zu spielen.

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