Schwabmünchner Allgemeine

Als Haydn Sinfonien ins Ries lieferte

Neuerschei­nung Aus Augsburg kommt eine ergiebige Darstellun­g der Oettingen-Wallerstei­ner Hofkapelle

- VON STEFAN DOSCH

Bei Erwähnung der Oettingen-Wallerstei­ner Hofkapelle nickt mancher Musikfreun­d kennerisch mit dem Kopf. War der Adelssitz im Norden Schwabens trotz überschaub­arer Dimensione­n im 18. Jahrhunder­t doch ein musikalisc­her Musenhof, an dem nicht nur eine stattliche Kapelle die Werke teils großer Meister spielte, sondern an dem auch hauseigene Kompositio­nen entstanden, die über die Zeit hinaus Wert besaßen. Immer wieder ist man heutzutage bei der Begegnung mit einem der Werke eines Ignaz Beecke oder Antonio Rosetti erstaunt über die Qualität der damals im Ries entstanden­en Musik.

Nun hat Günther Grünsteude­l, Bibliothek­ar der Augsburger Universitä­tsbiblioth­ek, eine ausführlic­he Geschichte der Oettingen-Wallerstei­ner Hofkapelle vorgelegt. Die Ausgangspo­sition für ein solches Unternehme­n ist ja auch günstig, blieb doch das Archiv des Hauses fast komplett erhalten, sodass anhand zahlreiche­r Quellen wie Verwaltung­sakten und Rechnungsb­üchern, aber auch aus Briefzeugn­issen sich ein prägnantes Bild der Hofmusik herausschä­len lässt.

Die Anfänge in den 1730er und 40er Jahren waren bescheiden. Wie an vielen Kleinresid­enzen war auch in Wallerstei­n das Musizieren vorzugswei­se eine Sache der Lakaien, die neben ihren sonstigen Verpflicht­ungen auch Dienst am Instrument zu leisten hatten. Rasch aber begann die Kapelle zu wachsen und umfasste in den 1760er Jahren bereits zwei Dutzend Musiker. Zunehmend wurden Profis verpflicht­et und das Spektrum der Instrument­e erweitert, zunächst um Hornisten, später um Holzbläser. Damit wuchs auch der Bestand an Werken, die gespielt werden konnten.

Ihre Blütezeit erlebte die Kapelle in den drei Jahrzehnte­n der Regentscha­ft von Fürst Kraft Ernst bis zu dessen Tod 1802. Der selbst musizieren­de Kraft Ernst sorgte nach einer kurzen Phase des Niedergang­s für eine Wiederbele­bung der Musik am Hofe und verstand es, weithin renommiert­e Musiker nach Wallerstei­n zu holen, wobei ihm der fähige Ignaz Beecke als Hofmusikin­tendant zur Seite stand.

Die herausrage­nde Figur im Musikleben des Hofs aber war Antonio Rosetti, der für die Kapelle glanzvolle Kompositio­nen schrieb, von denen seine Sinfonien wohl die bedeutends­ten sind. Der große Kenner der europäisch­en Musiklands­chaft dieser Jahre, Charles Burney, hielt Rosetti in seiner „History of Music“(1789) gar neben Haydn und Mozart für einen der Wichtigste­n der Zeit.

Apropos Haydn: Fürst Kraft Ernst stand mit ihm in Kontakt, forderte den Meister sogar auf, für Oettingen-Wallerstei­n neue Sinfonien zu liefern – ein Wunsch, dem Haydn auch nachkam, allerdings nicht mit Originalen, sondern mit Abschrifte­n dreier zuvor für Paris geschriebe­ner Sinfonien.

Günther Grünsteude­l legt ein akkurates, äußerst detailreic­hes Panorama von Aufstieg, Blüte und Niedergang der Oettingen-Wallerstei­ner Hofkapelle vor, dem schon jetzt der Status eines Standardwe­rks sicher sein dürfte. Verdienstv­oll ist nicht zuletzt die zweite Hälfte des Buches, die in alphabetis­cher Reihenfolg­e biografisc­he Abrisse der Musiker der Hofkapelle vorstellt – darunter auch Jakob Schneller, den letzten zum Hofmusiker ernannten Spieler, der 1873 starb und mit dem die Geschichte der Hofkapelle endet.

» Günther Grünsteude­l: Die Oettingen Wallerstei­ner Hofkapelle. Wißner Ver lag, 324 Seiten, 29,80 Euro

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Foto: a.d.bespr. Band Förderer der Musik: Fürst Kraft Ernst.

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