Von Wilderern hinterrücks ermordet
Bobinger Schlagzeilen Wie ein Kriminalfall zu vielen Ermittlungen, aber wenig Aufklärung führte (Serie)
Bobingen Ein ruhiger Ort, an dem man die Nachbarn noch kennt – so sehen viele Bobingen. Dabei hat die Kleinstadt zumindest in ihrer Vergangenheit durchaus auch dunkle Seiten. Ein solch dunkles Kapitel handelt nun zwar schon vor über 100 Jahren, ist aber noch nicht abgeschlossen. Denn der Mord bleib bislang ungesühnt und Mord verjährt nicht. Der Sinkelbote schrieb von einem Gipfelpunkt der Gemeinheit und der Scheußlichkeit. Heimatforscher Georg Fritz kennt die überlieferten Fakten genau.
Am Abend des 16. Mai 1916 trug der Westwind den Schall von vier Schüssen aus den Wertachauen zum Ortsrand von Bobingen. Keiner der Menschen, die die Schüsse hörten, dachte sich Schlimmeres dabei. Und doch kam unweit des Ortes ein Mensch ums Leben.
Vor gut einhundert Jahren war die Jagd von Bobingen an den Augsburger Industriellen Martini verpachtet. Dieser hatte in Vertretung für den in den Ersten Weltkrieg eingerückten Förster Haßlacher den Jäger Johann Taschner samt seiner Familie, einer Frau und zwei Kindern, von Landshut nach Bobingen kommen lassen.
Am besagten Tag begab sich Taschner samt seinem Hühnerhund in den sogenannten Dreckwinkel, ein mit Weiden, Fichten und Föhren bewachsenes Auenviertel rechts der Wertach zwischen den beiden Flussbrücken bei Bobingen. Sein Fahrrad hatte er in einem Dornengestrüpp abgestellt. Als Taschner nun am Abend dorthin zurückkehrte, um einen anderen Platz aufzusuchen, lauerten ihm Wilderer auf. Die Rekonstruktion des Tather- ergab folgenden Ablauf: Der Jäger Taschner wurde von Männern, die im nebenliegenden Wassergraben standen, angerufen und wandte sich um. Schnell erkannte er, dass er in eine Todesfalle geraten war. Durch einen Kugelschuss in den rechten Oberarm fiel der Angegriffene rücklings zu Boden, wobei der Gewehrschaft auseinanderbrach. Als einzige Gegenaktion blieb dem Gestürzten nur noch, den Hühnerhund von der Leine zu lassen. Sofort schossen die Männer mit Schrot auf das Tier, das gleich starb. Wie der Sinkelbote 1967 schrieb, „muss es als Gipfelpunkt der Ge- und der Scheußlichkeit bezeichnet werden, dass sich die Gewalttäter nun Taschners Gewehr bemächtigten, aus dessen Rohren sie nun zwei Schrotschüsse in die Herzgegend des Wehrlosen jagten, um damit den Anschein zu erwecken, als habe der Jäger als erster das Feuer auf sie eröffnet. Die vier Schüsse waren es, die auch in Bobingen zu hören waren.“
Als ihr Mann in der Nacht nicht nach Hause gekommen war, schlug seine Frau am Morgen Alarm. Die Suche nach dem Vermissten wurde eingeleitet. Schnell fanden die Männer den Jäger Johann Taschner negangs ben seinem Hund tot auf dem Boden liegen. Ein starker Gewitterregen in der Nacht hatte indes wichtige Spuren weggespült. So konnten die Täter bis heute unerkannt bleiben. Vermutet wird, dass es zwei bis drei Wilddiebe waren.
Die Polizei ließ nichts unversucht, um die feigen Mörder zu erwischen, konnte aber niemanden dingfest machen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden 1919 die Ermittlungen noch einmal aufgenommen. Auswärtige Kriminalbeamte und Wildererspezialisten wurden auf die Suche angesetzt. Als vagabundierende Handwerksburschen verkleimeinheit det, ließen diese bei verschiedenen Gelegenheiten in Wirtschaften immer wieder Patronenhülsen aus löchrigen Hosentaschen fallen, um mögliche Komplizen anzulocken. Es erfolgten zwar einige Festnahmen in Inningen und Göggingen, der Mord war jedoch keinem von den Verdächtigen nachzuweisen. So musste man sie wieder laufen lassen.
Mittlerweile dürften auch die Mörder von Jäger Johann Taschner verstorben sein. Vielleicht haben sie auf dem Sterbebett gebeichtet. Und vielleicht kommt doch noch einmal die Wahrheit ans Licht und Jäger Taschner kann seine Ruhe finden.