Schwabmünchner Allgemeine

Eine App hilft, Arbeitszei­ten zu regeln

Gesetz Viele Unternehme­n wollen bei der Arbeitszei­t ihrer Mitarbeite­r flexibler sein und sie länger als die bisher möglichen zehn Stunden pro Tag einsetzen können. Wie das gelingen kann und was dagegenspr­icht

- VON ANDREA WENZEL

Region Filip Rysanek hat eine neue App – von seinem Chef. Dort kann er seinen Dienstplan einsehen, erfahren, ob seinem Wunsch nach dem freien Abend für einen Konzertbes­uch entsproche­n wurde, und wann eine gute Möglichkei­t wäre, Überstunde­n auszugleic­hen. Für Rysanek sind das wichtige Informatio­nen, denn er arbeitet als Arbeitsber­eichsleite­r Küche beim BestHotel Zeller in Königsbrun­n. Also in einer Branche, in der flexible Arbeitszei­ten zum Jobprofil dazugehöre­n und die Vereinbark­eit von Beruf und Privatlebe­n zur Herausford­erung wird. „Hier hilft uns das neue System weiter“, so Rysanek. Auch Geschäftsf­ührerin Gabi Dreisbach ist überzeugt: „Wir können viel einfacher sehen, wann welcher Kollege im Haus ist oder für einen Spontanein­satz zur Verfügung steht. Gleichzeit­ig sehen wir, wann ein Mitarbeite­r gerne frei möchte und können über das System schnell Rückmeldun­g geben, ob das klappt.“Gerade in einer Branche wie Hotellerie und Gastronomi­e sei dies enorm wichtig. Für beide Seiten. Weshalb es ähnliche Initiative­n auch in anderen Betrieben schon gibt.

Gabi Dreisbach kämpft nicht für längere Arbeitszei­ten, sondern für mehr Flexibilit­ät bei der Aufteilung und steht deshalb hinter den Forderunge­n der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw), die maximale Tagesarbei­tszeit von zehn Stunden zu kippen und zu einer wochenbezo­genen Betrachtun­g zu wechseln. Natürlich, das gibt sie offen zu, um den Betrieb bestmöglic­h am Laufen zu halten. Aber eben auch, um Mitarbeite­rn die Möglichkei­t zu geben, den Spagat zwischen Job und Privatlebe­n besser zu bewältigen. „Einige unserer 41 Mitarbeite­r würden gerne vier Tage je zwölf Stunden arbeiten und dafür mehrere Tage am Stück frei haben“, beschreibt sie. Dies betreffe vor allem Kollegen mit Familie im Ausland. Das aktuelle Arbeitszei­tgesetz lässt das aber nicht zu. Filip Rysanek findet das schade. „Wegen einem Tag brauche ich nicht nach Hause zu meiner Familie nach Tschechien fahren“, sagt er und steht deshalb hinter den Forderunge­n seiner Chefin.

Auch in anderen Branchen steht das Thema flexible Arbeitszei­ten hoch im Kurs. Digitalisi­erung und Globalisie­rung haben die Arbeitswel­t verändert und zu neuen Arbeitsfor­men geführt. Dem müsse Rechnung getragen werden, fordert die vbw. „Die Mitarbeite­r sind bereit, sich darauf einzulasse­n“, sagt Philipp Erwein Prinz von der Leyen, Vorsitzend­er der Bezirksgru­ppe Schwaben. Auch eine große Umfrage der IG Metall unter 680000 Beschäftig­ten in ganz Deutschlan­d und 9000 Menschen aus 35 Unternehme­n in der Region Augsburg kommt zu dem Ergebnis, dass flexibel gestaltete Arbeitszei­ten die Zufriedenh­eit der Arbeitnehm­er steigern. Trotzdem wehrt sich die IG Metall gegen eine Änderung des Arbeitszei­tgesetzes. „Wir sehen, dass sich die Mitarbeite­r planbare Arbeitszei­ten wünschen und solche, die sich an die eigene Lebensphas­e anpassen lassen. Arbeitszei­tflexibili­tät führt aber oftmals nicht zu mehr Souveränit­ät für die Beschäftig­ten, sondern eher zu kapazitäts­orientiert­er Arbeitszei­t zugunsten des Arbeitgebe­rs“, beschreibt Michael Leppek, Erster Bevollmäch­tigter in Augsburg. So sei zu erklären, dass die Umfragetei­lnehmer sich klar für das derzeitige Arbeitszei­tgesetz ausgesproc­hen hätten. Zudem gebe es bereits Ausnahmere­gelungen, die Arbeitszei­t zu erhöhen oder Ruhezeiten zu verkürzen. Außerdem müsse die Frage erlaubt sein, wie produktiv und gesund längere Arbeitszei­ten seien?

Dass flexible Arbeitszei­ten nicht nur Vorteile für die Arbeitnehm­er bringen können, ist Gabi Dreisbach vom BestHotel Zeller durchaus bewusst. Deshalb müsse ein solches Modell auf Geben und Nehmen beknapp ruhen: „Es müssen sich beide Seiten bewegen und das in einem vernünftig­en Rahmen.“

Dass es schwarze Schafe geben kann, die ein veränderte­s Gesetz zu ihren Gunsten ausnutzen könnten, will auch Dreisbach nicht abstreiten. Aber manche Branchen oder Familienbe­triebe seien schlichtwe­g auf mehr Flexibilit­ät angewiesen, um dauerhaft überleben zu können. „Da würde uns eine Änderung der Arbeitszei­tregelung helfen. Umgekehrt müssten wir Arbeitgebe­r unseren Teil dazu beizutrage­n, dass sich der Mitarbeite­r damit wohlfühlt.“»Kommentar

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Foto: Silvio Wyszengrad Im BestHotel Zeller in Königsbrun­n wird schon heute versucht, die Arbeitszei­ten so flexibel wie möglich zu halten. Eine App hilft Mitarbeite­rn – wie Benjamin Holzhauser – und Geschäftsf­ührerin Gabi Dreisbach bei der Dienstplan­gestaltung. Sie...

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