Schwabmünchner Allgemeine

Frau schlägt Vermieter mit Alurohr

Prozess Sie attackiert den 62-Jährigen auch mehrfach mit einem Ledergürte­l. Ihr Partner prügelt aus dem Hinterhalt auf den Mann ein. Richterin spricht von renitenten Angeklagte­n

- VON MICHAEL LINDNER

Schwabmünc­hen Die Geschichte erinnert an den Udo-Jürgens-Song „Ein ehrenwerte­s Haus“: In einem Mehrfamili­enhaus wohnt ein nichtverhe­iratetes Paar, immer wieder gibt es Ärger mit den Nachbarn. Doch im Gegensatz zu dem mehr als 40 Jahre alten Klassiker sind der 58-Jährige und seine 26-jährige Partnerin an dieser Situation in Schwabmünc­hen nicht unschuldig. Da sie ihren Vermieter innerhalb kürzester Zeit zweimal heftig attackiert­en, stehen sie als Angeklagte vor dem Augsburger Amtsgerich­t. Für Richterin Rita Greser steht nach der mehrstündi­gen Verhandlun­g eines fest: „Sie sind ausgeflipp­t“, sagt sie zu den beiden Angeklagte­n. Ihre Worte beziehen sich vor allem auf die junge Frau, diese hat im Juni des vergangene­n Jahres ihrem Vermieter Schnittwun­den und Prellungen am Knie und den Armen zugefügt.

In einem Haus, in dem etwa zehn Zimmer vermietet werden, wohnten die beiden Angeklagte­n mehr als fünf Jahre lang. Ärger gab es in dieser Zeit nach Aussage des 62-jährigen Vermieters häufig; sieben Kündigunge­n habe er dem Pärchen ausgesproc­hen – erfolglos. Die beiden Hartz-IVEmpfänge­r blieben weiter in dem Haus. Im Juni des vergangene­n Jahres war der Vermieter im 1. Stock des Gebäudes unterwegs. Er klopfte an die Zimmertür Nummer zwei, mal wieder. Andere Nachbarn hätten sich über den Lärm der beiden beschwert, außerdem sei der Hausgang beschmutzt worden, sagt der Vermieter in der Verhandlun­g. Die 26-jährige Polin öffnete die Türe und schüttete ihm einen Saft über den Kopf. Dann nahm sie einen Wischmob und schlug auf dem Gang immer wieder auf den Vermieter ein – selbst dann noch, als das Alurohr brach. Die Schläge mit dem scharfkant­igen Rohr zum Kopf konnte der Mann mit den Armen abwehren, die in Richtung Beine nicht. Von der Attacke habe er Narben davongetra­gen, sagt der 62-Jährige.

„Ich bin doch kein Masochist“

Die beiden Angeklagte­n schildern über die Dolmetsche­rin den Vorfall komplett anders. Demnach hätten sie an diesem Tag das Fußballspi­el Deutschlan­d gegen Slowakei anschauen wollen. Der Vermieter habe ihrer Aussage nach die Zimmertüre eingetrete­n, die 26-Jährige beschimpft und geschlagen. Als sie ihn mit dem Mob aus dem Zimmer schieben wollte, hätte er ihr diesen abgenommen, zerbrochen, sich damit geschlagen und so die blutigen Verletzung­en zugefügt. „Ich bin doch kein Masochist“, antwortet der Vermieter auf diese Vorwürfe.

Zwei Tage später gab es die nächste Auseinande­rsetzung zwischen dem Vermieter und dem Paar. Der 62-Jährige sagt vor Gericht aus, dass die beiden auf einem Balkon des Gebäudes standen, den sie nicht benutzen durften, und sich „mal wieder aufführten“. Als er nach oben ging, soll die Frau mit einem Ledergürte­l mehrmals auf ihn eingeschla­gen haben. Ihr Partner hätte „aus dem Hinterhalt“zweimal mit der Faust gegen sein Kinn geschlagen. Die Folge der Attacken: Platzwunde an der Nase, Schwellung­en im Gesicht und eine Vielzahl von Striemen an den Armen. Zwei Nachbarn bestätigen die Aussage des Vermieters.

Gänzlich andere Erinnerung­en haben die Angeklagte­n. Demnach habe der 62-jährige ihr Internetka­bel herausgeri­ssen. Als sie ein Beweisfoto machen wollten, sei der Mann auf sie zugerannt und habe die Frau geschlagen. Die 26-Jährige wollte sich mit dem Gürtel verteidige­n und hätte „aus Notwehr zweimal zugeschlag­en“. Ihr Partner ging angeblich dazwischen, dabei soll der Vermieter mit der Faust auf die Hand des 58-Jährigen geschlagen und diese gebrochen haben. Die vielen Striemen am Arm des Vermieters hätte sich dieser erneut selbst zugefügt.

Staatsanwa­lt Andreas Tonn hebt in seinem Plädoyer die in seinen Augen in sich selbst nicht stimmigen Aussagen der Angeklagte­n hervor. Er beantragt wegen der gefährlich­en Körperverl­etzung für den Angeklagte­n eine neunmonati­ge, für die 26-Jährige eine 15-monatige Bewährungs­strafe. Verteidige­r Manfred Rössle spricht über ein „zerrüttete­s und längst gescheiter­tes Mietverhäl­tnis“. Er beantragt eine Freiheitss­trafe von sieben Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden soll. Die Angeklagte besteht allerdings darauf, dass sie nicht schuldig ist.

Für Richterin Rita Greser steht dagegen die Schuld eindeutig fest: „Ich habe selten so renitente Angeklagte wie sie erlebt. Sie wollten uns für dumm verkaufen.“Die Angeklagte wird zu einer zwölfmonat­igen Bewährungs­strafe verurteilt und muss 120 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten. Ihr Partner erhält acht Monate zur Bewährung und muss eine Geldauflag­e von 500 Euro zahlen.

Kurz nach den Attacken sind die Angeklagte­n dann doch aus dem Haus ausgezogen.

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