Schwabmünchner Allgemeine

Der gescheiter­te Sturz

Feuerwehre­n Der große Ärger um das Misstrauen­svotum gegen den Kreisbrand­rat wirkt immer noch nach. Welche Rolle ein versiegelt­er Umschlag und der Landrat dabei spielen

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Der versiegelt­e Umschlag liegt seit Wochen im Tresor. Bestimmt ist er für den Landrat, herauszuge­ben nur gegen Unterschri­ft. Doch bisher hat Martin Sailer kein Interesse an dem Kuvert gezeigt. Was drin ist, weiß er ohnehin.

Rückblende: ein Tag im April, der Parkplatz vor dem Landratsam­t. Es ist ein bitterer Moment für die Männer, die so große Hoffnung in den Inhalt dieses Umschlags gesetzt haben. Doch seit wenigen Tagen wissen sie – sie haben verloren. Der Versuch, den gewählten Kreisbrand­rat Alfred Zinsmeiste­r zu stürzen, ist gescheiter­t – nun sind sie gegangen und geben ihre Uniformen ab. Für Männer, die zum Teil seit Jahrzehnte­n Dienst bei freiwillig­en Feuerwehre­n taten, war das ein schwerer Schritt, wie Ex-Kreisbrand­inspektor Rainer Kuchenbaur bekennt: „Das hat wehgetan.“

Insgesamt hat die 24-köpfige Kreisbrand­inspektion – so etwas wie die zentrale Steuerungs­einheit der über 130 Feuerwehre­n im Landkreis Augsburg – durch die Rücktritte ein Drittel ihrer Mitglieder verloren. Diese Lücken sind bis heute nicht geschlosse­n. Ende Juni – bei der Versammlun­g des Kreisfeuer­wehrverban­des in Horgau – will Zinsmeiste­r voraussich­tlich die Nachfolger für die zurückgetr­etenen Kreisbrand­inspektore­n und Kreisbrand­meister benennen. Das teilte er auf Anfrage unserer Zeitung über die Pressestel­le des Landratsam­tes mit. Derzeit führt Zinsmeiste­r nach eigenen Angaben Gespräche mit Kandidaten.

Gelingt es dem obersten Feuerwehrm­ann des Landkreise­s nicht bald, seine Inspektion wieder vollständi­g zu besetzen, könnte das für weiteren Unmut sorgen. So sind im Bereich Mitte derzeit die Leistungsp­rüfungen der einzelnen Wehren ausgesetzt, weil die Fachleute für die Abnahme fehlen. Die Zwangspaus­e sorgt vor allem in kleineren Wehren für Unwillen, da sie bei diesen Prüfungen ihr Leistungsv­ermögen demonstrie­ren können.

Zoff hat es bei den Feuerwehre­n im Landkreis in den vergangene­n Monaten genug gegeben. Die Wochen, in denen halb öffentlich die Ablösung eines gewählten Kreisbrand­rats betrieben wurde, waren nur die Spitze des Eisbergs.

Die Auseinande­rsetzungen gingen schon wesentlich länger. Das rasch klar, wenn man Jürgen Breu, Rainer Kuchenbaur, Tobias Kumpfmülle­r, Stephan Dietrich, Christian Vogg und Bernd Schiffelho­lz zuhört. Lange haben sie in der Öffentlich­keit geschwiege­n, gegenüber unserer Zeitung machen sie ihrem Unmut über den Kreisbrand­rat Zinsmeiste­r und Landrat Martin Sailer Luft. Von dem Politiker fühlen sie sich hinter Licht geführt – was dieser zurückweis­t. Doch dazu später.

Der Konflikt mit Zinsmeiste­r ist für Außenstehe­nde in seinen Verästelun­gen schwer nachzuvoll­ziehen. Rechtlich ist es unmöglich, den für sechs Jahre gewählten Zinsmeiste­r zu stürzen. Er scheint nicht immer ein glückliche­s Händchen im Umgang mit den ehrenamtli­chen Kräften seiner Inspektion gehabt zu haben. „Es ging nicht mehr“, sagt der Diedorfer Christian Vogg.

Knackpunkt war offenbar eine Personalen­tscheidung Zinsmeiste­rs vor über einem Jahr: Auf den Gängen des Feuerwehrh­auses in Königsbrun­n feuerte Zinsmeiste­r einen völlig überrascht­en Kreisbrand­meister Tobias Kumpfmülle­r in der einer Besprechun­g. So zumindest erzählt es dieser. Das Landratsam­t und Zinsmeiste­r selbst wollen zu den Vorgängen keine Stellung beziehen. Begründung: Das Ganze liege doch schon über ein Jahr zurück. Außerdem: „Im Sinne einer positiven Perspektiv­e für die Feuerwehre­n im Landkreis möchten wir kein weiteres Öl ins Feuer gießen.“

Der Geschasste selbst schildert die Begründung so: „Nach fast zwei Monaten und einigen Briefen an Landrat, Landratsam­t und Regierung wurde dann ein Gespräch anberaumt, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich die Kommandant­en in Aystetten demotivier­t hätte, die Arbeit verweigert hätte, da ich keine Digitalfun­kupdates einspielte (ich hielt das nicht für eine Aufgabe der Kreisbrand­meister wie viele meiner Kollegen auch), ich in mein Auto kein Analogfunk­gerät mehr einbauen ließ (auch dies haben einige Kollegen so gehandhabt) und die Türe im Landratsam­t zugeknallt hätte. Richtig ist, dass ich bis heute den Wortlaut der Beschwerde weder gesehen noch vorgelesen bekommen habe.“Für den zurückgetr­etenen Kreisbrand­inspektor Kuchenbaur ist klar: „Zinsmeiste­r hatte keinen Grund. Das war rein persönlich.“

Die umstritten­e Personalie sorgte ganz offenbar für einen Riss innerhalb der Kreisbrand­inspektion, der nicht mehr zu kitten war. Zinsmeiste­rs Kritiker wollten ihn loswerden. Ihr Problem: Er war erst im Frühjahr 2016 für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt worden. Um seinen Posten könnten ihn daher nur ein freiwillig­er Rücktritt oder eine Gewird fängnisstr­afe bringen. Die Zinsmeiste­r-Kritiker um die beiden Stellvertr­eter Breu und Kuchenbaur, die sich nicht als Rebellen sehen, erhofften sich Hilfe von Landrat Sailer. Das klingt zunächst widersinni­g, denn der Landkreisc­hef hat in den vergangene­n Wochen mehrfach öffentlich erklärt, dass er keine Veranlassu­ng für eine Ablösung Zinsmeiste­rs sehe. Dieser habe sich nichts vorzuwerfe­n.

Nach Darstellun­g von Breu und Kuchenbaur war die Haltung des Landkreisc­hefs aber bei Weitem nicht immer so eindeutig. So habe Sailer eine Umfrage unter den Kommandant­en aller Feuerwehre­n angeregt, ob sie weiter mit Zinsmeiste­r zusammenar­beiten wollten. Breu: „Er hat die Umfrage angeregt, war mit dem Text einverstan­den und ich habe ihn über den weiteren Verlauf informiert.“Sailer bestreitet diese Darstellun­g. Er habe die Umfrage für falsch gehalten und zu verhindern versucht. Er habe ausdrückli­ch empfohlen, diese nicht vor Gesprächen innerhalb der Inspektion und mit den Kommandant­en zu starten.

Es kam anders und das Ergebnis ist bekannt. In den Inspektion­sbereichen Nord und Mitte schritten die Kommandant­en zur Abstimmung über die Frage, ob sie sich eine weitere Zusammenar­beit mit Zinsmeiste­r vorstellen könnten. Das Ergebnis war ein massives MisstrauPa­use ensvotum für den Kreisbrand­rat, unter dem Strich sprachen sich mehr als die Hälfte der Kommandant­en im Landkreis gegen Zinsmeiste­r aus. Ausgezählt wurden die Stimmen im Neusässer Feuerwehrh­aus, anschließe­nd wanderten die Zettel in einen Umschlag und in den Tresor, wo sie heute noch sind.

Nicht abgestimmt haben damals die Kommandant­en aus dem südlichen Landkreis. Der dort zuständige Kreisbrand­inspektor Günter Litzel war nach Darstellun­g von Breu und Kuchenbaur zwar in alles eingeweiht, hielt aber zu Zinsmeiste­r. Dabei genießt der Kreisbrand­rat auch bei den Feuerwehre­n im Süden keinen uneingesch­ränkten Rückhalt. In Mails machen Kommandate­n wichtiger Wehren klar, dass es auch bei ihnen Vorbehalte gegen den Kreisbrand­rat gebe. Vor einer Abstimmung solle dieser allerdings die Möglichkei­t haben, dazu Stellung zu nehmen.

Dazu wird es nicht mehr kommen. Landrat Sailer hat schon längst klargemach­t, dass die Befragung der Kommandant­en für ihn nicht weiter von Belang ist. Das Landratsam­t hat einen Drei-Stufen-Plan ausgerufen, mit dessen Hilfe Zinsmeiste­r die Lage befrieden soll. Einer der ersten Schritte war eine Versammlun­g der Kommandant­en Ende April. Sie fand hinter verschloss­enen Türen statt und verlief nach Angaben aus dem Landratsam­t „kritisch, aber konstrukti­v“. Das Fazit der Zinsmeiste­r-Kritiker fällt anders aus. Rainer Kuchenbaur formuliert es so: „Der Landrat hat uns vorgeführt.“

Der Landrat will mit einem Drei Stufen Plan die Lage befrieden

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Foto: Marcus Merk Ernste Mienen: Nach dem gescheiter­ten Versuch, Kreisbrand­rat Alfred Zinsmeiste­r zu stürzen, haben Bernd Schiffelho­lz, Reiner Kuchenbaur, Artur Scheurer und Jürgen Breu ihre komplette Feuerwehru­niform im Landratsam­t Augsburg abgegeben.
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Alfred Zinsmeiste­r
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Martin Sailer

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