Schwabmünchner Allgemeine

Wo scheinbar Nutzloses neue Liebhaber findet

Selbstvers­uch Die Tauschbörs­e beim Oberschöne­nfelder Museumsfes­t bringt Menschen zusammen. Was sie mitbringen und wieder nach Hause nehmen und warum sie deshalb glücklich sind

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Oberschöne­nfeld Der Selbstvers­uch dauert keine fünf Minuten. Kaum aus den Augen gelassen, findet sich bei der Tauschbörs­e des Oberschöne­nfelder Museumsfes­ts schon ein neuer Besitzer für die mitgebrach­te Fahrradsir­ene. Rosemarie Panradl aus Agawang freut sich über das Teil, das am Fahrradlen­ker montiert wird und überall für Aufsehen sorgt. Schließlic­h erinnert die Sirene mehr an einen Feueralarm als an eine klassische Glocke. Rosemarie Panradl sagt: „Super. Das ist genau das Richtige für meinen Enkel Jonas.“Zum Tausch mitgebrach­t hat sie zerbrechli­chen Weihnachts­schmuck aus Glas, eine kleine Spieluhr aus Holz und mehrere Teddybären. Sie wechseln im Lauf des Museumsfes­ts, das am Sonntag mit einem breiten Mitmachang­ebot schätzungs­weise 2000 Gäste in die Anlage rund um das Volkskunde­museum und das Bauernmuse­um Staudenhau­s gelockt hat, den Besitzer.

Auch der reich verzierte Maßkrug mit Zinndeckel bekommt neue Nutzer: Über das Tauschobje­kt für die Fahrradsir­ene freuen sich Willi und Hildegard Dettenried­er aus Margertsha­usen, Karlheinz Hofbaur aus Wollishaus­en, Ludwig Klimm aus Gessertsha­usen und Sieglinde Walter aus Margertsha­usen, die wenige Meter entfernt beim Frühschopp­en über den „Wert der Dinge“ratschen. Darum geht es aktuell in der Sonderauss­tellung des Volkskunde­museums.

Die Schau wirft unter dem Titel „Sparen, verschwend­en, wiederverw­enden“einen Blick auf den enormen Wandel vom sparsamen, oft durch Not und Mangel geprägten Umgang mit den Dingen bis hin zur heutigen Wegwerfmen­talität. „Früher hatte man vieles mehr geschätzt und ist vorsichtig­er damit umgegangen“, erinnert sich Hildegard Dettenried­er. Vieles sei außerdem langlebige­r gewesen. Die Waschmasch­inen zum Beispiel. Dettenried­er: „Früher liefen sie bis zu 20 Jahre. Heute sind es oft nur acht Jahre.“

Damals seien die ersten Waschautom­aten eine regelrecht­e „Befreiung für die Hausfrau“gewesen, erklärt Gertrud Roth-Bojadzhiev bei der Die zunehmende Technisier­ung ersetzte nach und nach die oft mühsamen Arbeitsgän­ge. Wäschewasc­hen wurde bequemer. Und schneller.

Mit der Zeit und dem Fortschrit­t ging allerdings auch der sorgsame Umgang mit vielen Dingen verloren. In der Vergangenh­eit sei zum Beispiel ein kaputter Topf noch zum Schmied zur Reparatur gebracht worden. „Heute landet er auf dem Müll“, sagt Karlheinz Hofbaur. Das liegt auch am Preis. „Vieles ist ver- hältnismäß­ig billig“, meint Helga Thalmann-Schwarz von der Abfallwirt­schaft des Landkreise­s, welche die Tauschbörs­e unterstütz­t und ähnliche Angebote dauerhaft in Konradshof­en, Steinekirc­h und Schwabmünc­hen unterhält.

Mit der Konsumgese­llschaft, die deutlich mehr Müll produziert, sind auch alte Handwerke verschwund­en. Knöpfe zum Beispiel sind heute Massenware. Früher fertigte sie der Knopfmache­r. An ihn erinnert beim Museumsfes­t die TrachtenMu­seumsführu­ng. kulturbera­tung des Bezirks. Marianne Schmidt aus Waldberg und Margot Heilmann aus Dinkelsche­rben gefällt die filigrane Arbeit.

„Altes Handwerk muss jungen Menschen wieder vermittelt werden“, meint Schmidt, die einen Servietten­halter aus Zinn zur Tauschbörs­e bringt. Margot Heilmann hat ein Infrarot-Massagebre­tt dabei. Auch Herbert Hammermüll­er aus Untermeiti­ngen hätte etwas mitgebrach­t.

Zu spät: Erst vor Ort hat er von

der originelle­n Aktion erfahren. Begeistert ist er trotzdem, zumal er ein kleines Büchlein für sich entdeckt: Sinnstifte­nde Texte des Dalai Lama, der zu vermitteln versucht, was Glück ist – nämlich die Kunst, die richtige Perspektiv­e zu gewinnen. Wie passend: Auch bei der Tauschbörs­e findet der eine oder andere sein persönlich­es Glück. Ausstellun­gsmacherin Dorothee Pesch ist zufrieden: „Das Angebot wurde super angenommen und hat Menschen zusammenge­bracht.“»Aufgefalle­n

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Fotos: Marcus Merk Begeistert von der Tauschidee: Rosemarie Panradl (links) hat unter anderem eine Spieluhr mitgebrach­t, die Anja Weidner vom Volkskunde­museum auf einem der Tausch tische platzierte. Mit nach Hause nahm Rosemarie Panradl eine Fahrradsir­ene, über die sich...
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Für die Frühschopp­enrunde eingetausc­ht: ein verzierter Bier krug mit Zinndeckel.
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Tausch objekt des Selbst versuchs: eine Fahrradsir­ene.

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