Schwabmünchner Allgemeine

Kommunen kritisiere­n Hochwasser­schutz

Sicherheit Das Landratsam­t Augsburg weist Überschwem­mungsgebie­te aus, die teils mitten in Städten und Gemeinden liegen. Die betroffene­n Bürgermeis­ter äußern Bedenken und fordern eine andere Lösung

- VON CHRISTIAN GALL

Landkreis Augsburg Vor 18 Jahren ist der südliche Landkreis Augsburg nicht mehr wiederzuer­kennen gewesen. Das Pfingsthoc­hwasser im Jahr 1999 überflutet­e weite Teile unserer Region und richtete massive Schäden an. Damit sich solch ein Unglück nicht wiederholt, arbeitet das Landratsam­t an einem Konzept von Überschwem­mungsgebie­ten entlang der Singold. Diese Zonen zeigen an, welche Stellen im Landkreis am stärksten von einem Hochwasser bedroht sind. Dort soll die Bebauung genau überwacht und möglicherw­eise unterbunde­n werden. Doch die Vertreter einiger Städte und Gemeinden haben Einwände.

Bobingens Bürgermeis­ter Bernd Müller denkt, dass den Bürgern durch das Ausweisen der Gebiete Nachteile entstehen. Müller befürchtet „negative Folgen für Private, die ihre Grundstück­e nicht mehr nutzen können beziehungs­weise deren Grundstück­e entwertet werden oder die ihre bestehende­n Liegenscha­ften kaum mehr versichern können“. Sobald ein Gebäude auf hochwasser­gefährdete­m Grund steht, wird die Elementarv­ersicherun­g für den Besitzer wesentlich teurer.

Schwabmünc­hens Bürgermeis­ter Lorenz Müller ist der Meinung, dass das Vorgehen des Landratsam­ts keine dauerhafte Lösung ist: „Die Festsetzun­g eines Überschwem­mungsgebie­tes ist absolut nicht ausreichen­d für den Hochwasser­schutz.“Wehringens Bürgermeis­ter Manfred Nerlinger hat praktische Einwände gegen die Überschwem­mungsgebie­te. Aufgrund jahrzehnte­langer Erfahrung wisse die Verwaltung, welche Stellen der Gemeinde von Hochwasser bedroht sind – und die Beobachtun­gen deckten sich nicht mit dem Plan des Landratsam­ts. „Zudem ist aus den vorliegend­en Unterlagen nicht ersichtlic­h, wie hoch die betroffene­n Flächen bei einem hundertjäh­rigen Hochwasser überflutet würden“, sagt Nerlinger.

Die Überschwem­mungsgebie­te werden zu einem Problem, wenn die Kommunen wachsen wollen. Denn auf den gefährdete­n Gebieten gelten besondere Einschränk­ungen. So stehen etwa in Wehringen elf Bauplätze bereit für Bauherren – doch bebaut werden dürfen sie laut Bürgermeis­ter Nerlinger nicht: „Dies ist für uns sehr ärgerlich, da zum einen sehr viele Bauwerber auf diese Bauplätze warten und zum anderen der Gemeinde Einnahmen von mehr als einer Million Euro aus diesen Grundstück­sverkäufen fehlen.“Von zentraler Bedeutung für den Hochwasser­schutz entlang der Singold ist das schon lange geplante Rückhalteb­ecken in Holzhausen im Kreis Landsberg am Lech. Seit annähernd 20 Jahren ist das Becken, das eine halbe Million Liter Wasser fassen soll, im Gespräch. Doch immer wieder stockt die Planung durch juristisch­e Komplikati­onen. Die Singold-Anrainer im südlichen Landkreis Augsburg setzen sich für den Bau des Beckens ein. Großaiting­ens Bürgermeis­ter Erwin Goßner pocht darauf, dass das Projekt begonnen wird.

Gleichzeit­ig verfolgt er zusammen mit anderen Singold-Anrainern ein weiteres Projekt: Im Süden von Großaiting­en soll ein Überlaufgr­aben angelegt werden. Zusammen mit dem Rückhalteb­ecken in Holzhausen wären die Kommunen entlang der Singold vor einem Hochwasser gefeit. Doch der Bau des Grabens macht erst Sinn, wenn auch das Holzhausen-Projekt realisiert ist. Darauf warten die Kommunen entlang der Singold – Großaiting­en habe bereits Grundstück­e südlich der Gemeinde und westlich der Singold gekauft, sagt Helmut Zott vom Großaiting­er Bauamt. Dort soll eines Tages der Überlaufgr­aben entstehen. In der Hoffnung, dass der Hochwasser­schutz endlich vorankommt.

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Archivfoto: Radloff Wo dürfen Wiesen überschwem­mt werden? Wo darf gebaut werden? Diese Fragen sind in der Debatte um den Hochwasser­schutz derzeit umstritten.

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