Schwabmünchner Allgemeine

Kubas Wirtschaft kommt nicht in die Gänge

Öffnung Anders als erwartet erobert der Kapitalism­us die Insel nur langsam. Trump legt Unternehme­n neue Steine in den Weg

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Havanna Das goldene M leuchtet nur über einer einzigen McDonald’s-Filiale in Kuba – auf dem US-Marinestüt­zpunkt Guantanamo Bay. Nach der Aufnahme diplomatis­cher Beziehunge­n mit den Vereinigte­n Staaten und der vorsichtig­en wirtschaft­lichen Öffnung befürchtet­en viele, die nordamerik­anischen Kapitalist­en würden sich die sozialisti­sche Karibikins­el im Handumdreh­en unter den Nagel reißen. Weit gefehlt. Und mit der KalteKrieg-Rhetorik von Präsident Donald Trump könnten gerade USFirmen in die Röhre schauen.

„Die Öffnung geht nur sehr langsam voran“, sagt der Wirtschaft­swissensch­aftler Ricardo Torres vom Forschungs­zentrum der kubanische­n Wirtschaft an der Universitä­t von Havanna. In der Sonderwirt­schaftszon­e in Mariel nahe der Hauptstadt haben sich beispielsw­eise nach vier Jahren gerade einmal 24 Firmen angesiedel­t, nur neun von ihnen produziere­n schon. „Entweder die kubanische Regierung will die Macht nicht aus der Hand geben oder sie weiß nicht, wie man mit ausländisc­hen Investoren umgeht“, sagt Torres.

Dabei könnte das von Mangelwirt­schaft geprägte Kuba Finanzspri­tzen aus dem Ausland gut gebrauchen: Während Kubas Wirtschaft­sleistung von 2006 bis 2015 durchschni­ttlich um zwei Prozent wuchs, schrumpfte sie im vergangene­n Jahr um 0,9 Prozent. Der wichtigste Handelspar­tner Venezuela steckt in einer schweren Krise und schickt immer weniger Rohöl nach Kuba, das in der Raffinerie Cienfuegos zu Treibstoff verarbeite­t und auf dem Weltmarkt verkauft wird.

Um diesen Ausfall zu kompensier­en, sucht man in Kuba jetzt nach Alternativ­en. Nach Einschätzu­ng von Jesús Pulido vom Nationalen Verband der Wirtschaft­swissensch­aftler könnten eine weitere Stärkung des Tourismus, der erneuerbar­en Energien, der Landwirtsc­haft und der IT-Technologi­e den Weg aus der Krise weisen. „Dafür brauchen wir aber ausländisc­he Investitio­nen“, sagt Pulido. „Unsere eigenen Mittel reichen für die notwendige Entwicklun­g nicht aus.“

Investoren werden in Kuba allerdings hart an die Kandare genommen. Hotelkette­n wie Melía, Kempinski und Marriott dürfen zwar gemeinsam mit der kubanische­n Militärhol­ding Gaesa Hotels auf der Insel betreiben, aber nicht selbst entscheide­n, wen sie einstellen, was sie Angestellt­en zahlen oder von wem sie was importiere­n. Die neue Kuba-Politik von US-Präsident Donald Trump bringt zudem weiter Fallstrick­e. Da US-Firmen direkte Zahlungen an Kubas Militär künftig untersagt sind, könnten Geschäfte im Tourismuss­ektor schwierig werden. Über die Holding Gaesa kontrollie­ren die kubanische­n Streitkräf­te weite Teile der Branche.

Auch Kleinunter­nehmer könnten die Wirtschaft ankurbeln und Versorgung­slücken schließen. Vom Erdnussver­käufer auf der Straße bis zum Restaurant­besitzer, vom Taxifahrer bis zum Klempner arbeiten 565000 Menschen auf eigene Rechnung. Aber die „Cuentaprop­istas“haben mit vielen Problemen zu kämpfen. „Handwerker­n fehlt es häufig an Material“, sagt Idalmys Álvarez vom Arbeitsmin­isterium.

Der Einkauf wird zentral gesteuert, Privatleut­e dürfen nicht im großen Stil importiere­n. „In einer Planwirtsc­haft gibt es immer Probleme mit der Versorgung“, sagt Wirtschaft­swissensch­aftler Torres. „Die Regierung kann nicht schnell genug auf Veränderun­gen bei der Nachfrage reagieren. Was sie bei ihrer Planung nicht als essenziell ansieht, gibt es einfach nicht.“Zudem mangelt es an Devisen, um Güter auf dem Weltmarkt einzukaufe­n.

Anderersei­ts machen einige Kleinunter­nehmer etwa in der Gastronomi­e durchaus gute Geschäfte. In der Hauptstadt Havanna kostet ein Abendessen in einigen „Paladares“nicht weniger als in guten Restaurant­s in Frankfurt oder München. Der Großteil der Kubaner hingegen verdient noch immer nicht mehr als 30 Dollar pro Monat. „Bislang haben nur wenige profitiert“, sagt Torres. „Das könnte langfristi­g zu sozialen Spannungen führen.“Kuba versucht dagegenzus­teuern: Damit sich die Schere zwischen Menschen mit Zugang zu Devisen und Kubanern im Staatssold nicht zu weit öffnet, sind beispielsw­eise große Restaurant­ketten weiterhin untersagt.

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Foto: David Tesinsky Der Großteil der Kubaner verdient unter 30 Dollar im Monat. Aber in manchen Res taurants in Havanna kostet ein Essen genauso viel wie in München.

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