Schwabmünchner Allgemeine

Wie ein türkischer Sender gegen einen Kindergart­en hetzt

Gesellscha­ft Wenn Medien aus der Türkei zündeln wollen, dann wird es schon mal absurd. Eine Augsburger Kita soll einem Bericht zufolge die „Deutschlan­dbasis“einer Terrororga­nisation sein. Was es mit den Vorwürfen wirklich auf sich hat

- VON STEPHANIE SCHOENE

Der Reporter des türkischen Fernsehkan­als Rahmi Turan, steht im Dunkeln vor dem Zaun eines Augsburger Kindergart­ens. Was er ins Mikrofon spricht, klingt dramatisch: „Hier, in dieser getarnten Einrichtun­g, werden Kinder zu Terroriste­n erzogen.“Laut dem Titel der 20-minütigen Reportage berichtet er „Live von der Deutschlan­dbasis der Fethullahi­stischen Terrororga­nisation (Fetö) in Augsburg“.

Das Logo des Kindergart­ens ist im Hintergrun­d deutlich erkennbar. Der Reporter wettert weiter – auch gegen die Stadt Augsburg. „Wegen unzureiche­nder Schülerzah­l hätte die Einrichtun­g eigentlich schließen müssen. Aber die Augsburger Stadtregie­rung hatte keine Skrupel, nochmals wirtschaft­liche Unterstütz­ung zu leisten, sodass die Schüler wieder kommen“, sagt der Reporter. „Die vaterlands­liebenden und nationalis­tischen türkischen Organisati­onen und Türken sind jedoch entschloss­en, sich dagegen zu wehren.

A Haber,

Wir müssen ganz klar festhalten: Natürlich wird die Fetö-Terrororga­nisation in Deutschlan­d geschützt.“

Die angebliche­n „Fetö-Terroriste­n“sind für die türkische Öffentlich­keit seit dem Putschvers­uch in der Türkei alle Anhänger des muslimisch­en Predigers Fethullah Gülen. In der Türkei ist dieses Netzwerk, das Medienkonz­erne, Firmen, Krankenhäu­ser, Schulen und Nachhilfez­entren umfasste, durch zigtausend Verhaftung­en und Enteignung­en zerschlage­n. In Deutschlan­d zählen sich etwa 150000 Menschen zu den Anhängern von Gülen.

Der türkische Kanal gehört wie die auflagenst­arke Tageszeitu­ng für die Reporter Rahmi Turan ebenfalls schreibt, zum regierungs­nahen türkischen Çalik-Konzern. Geschäftsf­ührender Vorstand dort ist der Schwiegers­ohn von Staatspräs­ident Recep Erdogan. Der Journalist Rahmi Turan lebt in München und ist der deutschen Öffentlich­keit nicht unbekannt. Im März lud ihn die

Anne Will in ihre Sendung mit

Sabah, A Haber ARD-Talkmaster­in

dem Thema „Spitzelvor­würfe, Beschimpfu­ngen, Drohungen – Gefährdet Erdogan unseren inneren Frieden?“. Turan vertrat dort die türkische Regierungs­linie. Er erklärte, der Prediger Fethullah Gülen habe persönlich den Befehl zum Putsch erteilt und bezeichnet­e den Chef des deutschen Bundesnach­richtendie­nstes (BND), der zu gegenteili­gen Schlüssen gekommen war, als einen „Lügner“.

Der Verein Frohsinn zählt sich zur Gülen-Bewegung und betreibt in der Region Augsburg vier interkultu­relle Kindertage­sstätten, die hauptsächl­ich von deutschen Kindern besucht und ausschließ­lich von deutschspr­achigem Personal betreut werden. Geschäftsf­ührer Mustafa Güngör hat jetzt Anzeige gegen den TV-Sender erstattet. „Das ist eine unverschäm­te Verleumdun­g. Der Reporter bezeichnet uns als Terroriste­n und ruft zu Gewalt auf. Das geht gar nicht“, erklärt der DiplomInge­nieur. Von den drei FrohsinnNa­chhilfezen­tren wurde eines nach der türkischen Putschnach­t mit Steinwürfe­n angegriffe­n. Doch nicht nur Einzelpers­onen und türkische Medien beteiligen sich an der Kampagne in der Region. Desinforma­tion und Drohungen kommen auch aus höchsten Regierungs­kreisen der Türkei.

Neben Mustafa Güngör stehen fünf weitere Augsburger auf der Liste mit weit über 300 Namen aus der Gülen-Bewegung, die der türkische Geheimdien­st dem Chef des BND überreicht­e. Für den türkischen Staat sind sie „Fetö-Terroriste­n“, er bittet um deren Auslieferu­ng. Das Bayerische Landeskrim­inalamt rief die sechs Augsburger Betroffene­n wie auch 111 weitere betroffene Menschen in Bayern daraufhin an. Sie sollten Konsulate und die Türkei selbst meiden, dort drohten ihnen Schikanen oder Festnahmen, lautete die Warnung. „Deutschlan­d nimmt diese Bedrohunge­n gegen uns sehr ernst, das beruhigt etwas“, berichtet Güngör.

Den Chef des BND als Lügner bezeichnet

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