Polizei darf künftig am Handy mitlesen
Sicherheit Koalition macht den Weg für den Bundestrojaner frei – mit einem Trick
Berlin Die Polizei kann in Zukunft direkt auf die Festplatten von privaten Computern oder die Speicher von Smartphones zugreifen und Nachrichten in Messenger-Diensten wie WhatsApp schon vor dem Verschlüsseln mitlesen. Die Große Koalition hat dazu am Donnerstag den Weg für den umstrittenen „Bundestrojaner“freigemacht. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitsbehörden, eine spezielle Späh-Software („Trojaner“) auf die Computer aufzuspielen, ohne dass die Betroffenen davon erfahren. Grüne und Linke machten dagegen schwere verfassungsrechtliche Bedenken geltend und kündigten den Gang nach Karlsruhe an. Auch Datenschützer sind empört.
Polizei und Verfassungsschutz hatten schon lange mehr Befugnisse bei der Überwachung der OnlineKommunikation gefordert. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts waren solche Eingriffe bisher auf Terrorermittlungen beschränkt. Das neue Gesetz sieht nun eine deutlich breitere Liste mit Mord, Totschlag, Steuerdelikten, Computerbetrug, Hehlerei oder Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung vor. Um es noch vor dem Ende der Wahlperiode durch den Bundestag zu bringen, musste die Koalition einen Trick anwenden: Die Regelung wurde in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses an ein anderes Gesetz angehängt, das unter anderem Fahrverbote für Kleinkriminelle vorsieht.
Die Oppositionsparteien kritisierten das Vorgehen der Koalitionäre. Die Grünen forderten Union und SPD auf, ihren Gesetzentwurf zurückzuziehen und durch einen verfassungskonformen Antrag zu ersetzen: „Das nahezu vollständige Wissen über die Zielperson geht weit über die akustische Wohnraumüberwachung hinaus und bedeutet eine völlig neue Tiefe des Grundrechtseingriffs.“So sei ein Smartphone heute deutlich mehr als nur ein Telefon, sondern ein kompletter Computer, auf dem oft sogar intimste Daten gespeichert seien.
Auch der frühere Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, kritisierte gegenüber unserer Zeitung die Pläne der Koalition. So würde der neue Staatstrojaner die IT-Sicherheit gefährden, da die Behörden bei der Platzierung des Trojaners dieselben Schwachstellen „wie Betrüger und Erpresser“benutzen. „Warum sollte der Staat zukünftig noch daran interessiert sein, die erkannten Sicherheitslücken zu schließen? Er würde sich ja dann selbst aussperren.“Dass weder der Bundestag noch die Öffentlichkeit genügend Zeit hätten, gründlich über ein so wichtiges Gesetz zu diskutieren, „halte ich angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag für einen ziemlich arroganten Umgang der Regierungsfraktionen mit der Macht“. Bisher hat das Bundeskriminalamt allerdings weder die technischen Möglichkeiten, Dienste wie WhatsApp zu überwachen, noch eine Software, die auf Smartphones funktioniert und die hohen Auflagen des Verfassungsgerichts beim Datenschutz erfüllt.
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