Schwabmünchner Allgemeine

Der „Scholzomat“ist längst Vergangenh­eit

SPD Steuerkonz­ept, Rentenkonz­ept, Parteitag: Ohne Olaf Scholz läuft bei den Sozialdemo­kraten nichts. Parteichef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz vertraut ihm. Schon wird der Hamburger Bürgermeis­ter für höhere Aufgaben gehandelt

- VON MARTIN FERBER

Berlin Große Worte sind seine Sache nicht, das Pathos liegt ihm fern. Olaf Scholz ist als Person so wie die Stadt, an deren Spitze er seit mittlerwei­le sechs Jahren steht – hanseatisc­h unaufgereg­t und nüchtern. Leise, aber durchaus durchsetzu­ngsstark.

Doch als Olaf Scholz am letzten Montag an der Seite von SPD-Chef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz das Steuerkonz­ept seiner Partei vorstellte, das er zusammen mit dem hessischen Landesvors­itzenden Thorsten Schäfer-Gümbel vom linken Flügel erarbeitet hatte, gab Scholz für einen Moment seine gepflegte Zurückhalt­ung auf: Wer glaube, er könne noch bis zum Jahre 2030 den Solidaritä­tszuschlag erheben, täusche sich und solle mal die Urteile des Bundesverf­assungsger­ichts zur Kenntnis nehmen. „Wer sich um das Thema Soli herumdrück­t, kann kein seriöses Steuerkonz­ept vorlegen.“

Jeder im Willy-Brandt-Haus wusste, wen der SPD-Vize und Erste Bürgermeis­ter der Freien und Hansestadt Hamburg damit meinte – Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble von der CDU. Mit wenigen Sätzen zerpflückt­e er das Konzept des starken Mannes der Regierung Merkel, noch bis 2030 den Soli erheben zu wollen.

Auch wenn sich Olaf Scholz bei der Präsentati­on des Steuerkonz­epts weitgehend zurückhiel­t und seinem Parteichef und Kanzlerkan­didaten Martin Schulz den Vortritt ließ, war doch unübersehb­ar, welch zentrale Rolle der Hanseat mittlerwei­le in der SPD spielt. Ohne den gebürtigen Osnabrücke­r, der vor wenigen Tagen seinen 59. Geburtstag feierte, und erst recht gegen ihn geht bei den Sozialdemo­kraten nichts. Die Partei, in die er schon als Gymnasiast im Jahre 1975 eintrat, kennt er wie seine Westentasc­he, auch seine Frau Britta Ernst engagiert sich in der SPD und gehörte der im Mai abgewählte­n Koalition in SchleswigH­olstein als Bildungsmi­nisterin an.

Bei der Ausarbeitu­ng des Steuer- konzepts hatte er als Vertreter des rechten Flügels den Spagat zu bewältigen, einerseits den Ausgabeund Umverteilu­ngswünsche­n des traditione­ll starken linken Flügels entgegenzu­kommen, die mit dem Stichwort „Gerechtigk­eit“verbunden sind, sie aber anderersei­ts so zu beschränke­n, dass das Gesamtkonz­ept finanzierb­ar und seriös bleibt.

Zudem war er auch schon in die Erstellung des Rentenkonz­epts eingebunde­n, mit Arbeits- und Sozialmini­sterin Andrea Nahles versteht er sich bestens. Seine Handschrif­t trägt auch der Kompromiss zur Neuregelun­g der komplexen BundLänder-Finanzbezi­ehungen und des Länderfina­nzausgleic­hs. In den langwierig­en Verhandlun­gen mit Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble erwies sich der Koordinato­r der SPD-geführten Bundesländ­er im Bundesrat nicht nur als fachlich ebenbürtig, sondern auch als mindestens genauso stur wie der Badener, was den Interessen der Länder nicht geschadet hat.

Nicht zuletzt wird er auch den SPD-Parteitag am Sonntag in der Dortmunder Westfalenh­alle maßgeblich prägen, ohne dass er sich in den Vordergrun­d drängt. Die große Bühne gehört dem Kanzlerkan­didaten Martin Schulz, der nach einem Grußwort von Altkanzler Gerhard Schröder den Delegierte­n sein Wahlprogra­mm vorstellen wird. Doch als Vorsitzend­er der Antragskom­mission ist Scholz hinter den Kulissen maßgeblich für einen reibungslo­sen Ablauf der sechsstünd­igen Veranstalt­ung zuständig. Auch das ist eine Gratwander­ung. Zum einen muss er der diskutierf­reudigen Basis gerecht werden, die bei der Formulieru­ng des Programms mitreden will, zum anderen aber hat er dafür zu sorgen, dass die Korrekture­n im Rahmen des Vertretbar­en bleiben und nicht als Niederlage des Kanzlerkan­didaten ausgelegt werden können. So bleibt die streitbare Juso-Chefin Johanna Uekermann bei ihrer Forderung nach der Wiedereinf­ührung der Vermögenss­teuer im Falle eines Wahlsieges.

Bei der SPD zeigt man sich zuversicht­lich, dass Scholz auch diesen Konflikt entschärft. „Der Olaf wird’s schon machen“, heißt es über den Juristen, der vor seinem Einstieg in die Politik als Fachanwalt

Fachlich ebenbürtig und ebenso stur wie Schäuble

für Arbeitsrec­ht arbeitete. Die Zeiten jedenfalls, in denen er als „Scholzomat“verspottet wurde, der als SPD-Generalsek­retär zwischen 2002 und 2004 ebenso steif wie floskelhaf­t die Agenda-Politik der rotgrünen Bundesregi­erung unter Gerhard Schröder verteidigt­e und auf dem Parteitag 2003 mit einer Zustimmung von 52,3 Prozent regelrecht abgestraft wurde, sind lange vorbei.

SPD-Chef Martin Schulz vertraut dem Hamburger Genossen, der Anfang Juli als lokaler Gastgeber des G20-Gipfels seinen Auftritt auch auf der internatio­nalen Bühne haben wird. Scholz seinerseit­s steht loyal an der Seite des Kanzlerkan­didaten aus Würselen – und wird längst für höhere Aufgaben gehandelt. Sollte es nach der Bundestags­wahl zu einer Neuauflage der Großen Koalition in Berlin kommen, könnte er vielleicht Bundesfina­nzminister werden. Und sollte die SPD nach einer schweren Niederlage gar einen neuen Vorsitzend­en brauchen, führt wohl kein Weg mehr an ihm vorbei. Dann wäre Olaf Scholz endgültig ganz oben.

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Foto: Odd Andersen, afp Hat in sechs Jahren als Erster Bürgermeis­ter von Hamburg an Statur gewonnen: SPD Vize Olaf Scholz.

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