Schwabmünchner Allgemeine

Ein neuer Großbuchst­abe stellt sich vor

Rechtschre­ibung Der Rechtschre­ibrat führt das große „scharfe S“in die Orthografi­e ein. Das betrifft vor allem amtliche Dokumente. Es gibt aber auch weitere neue Regeln

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Mannheim 21 Jahre nach der umstritten­en Rechtschre­ibreform ist das amtliche Regelwerk erneut an einigen Stellen geändert worden, wenn auch in viel kleinerem Ausmaß. Nun gibt es das Eszett, das „scharfe S“, offiziell als Großbuchst­aben. Es sieht aus wie ein Mittelding zwischen dem bisherigen, kleingesch­riebenen „ß“und einem großgeschr­ieben „B“. Das Eszett war der einzige Buchstabe der deutschen Sprache, den es nur als Kleinbuchs­taben gab. Ein Grund dafür ist vermutlich, dass kein deutsches Wort existiert, das mit „ß“beginnt.

Vor allem für die korrekte Schreibung von Eigennamen in Pässen und Ausweisen sei das große Eszett wichtig, teilte der Rat für deutsche Rechtschre­ibung am Donnerstag in Mannheim mit. Bisher hatten zum Beispiel Menschen mit dem Nachnamen „Oßner“ein Problem: Wenn in einem Ausweisdok­ument wegen der Großschrei­bung der Buchstaben anstelle des „ß“ein „Doppel-s“steht, bleibt unklar, ob sie „Ossner“oder „Oßner“heißen. Die Behörden in Deutschlan­d und Österreich waren daher dazu übergegang­en, dass sie trotzdem den Kleinbuchs­taben „ß“verwendete­n.

Das war aber nicht der einzige Grund für die Änderung. Die Sprachexpe­rten beobachten auch einen generellen Trend zur Schreibwei­se in Versalien. Ausgehend von der Werbung, die damit mehr Aufmerksam­keit erzielen will, ist es auch in vielen Büchern inzwischen üblich, Kapitelübe­rschriften in Versalien zu drucken. Die Zulassung des großen Eszetts ermöglicht in solchen Fällen nun ein optisch einheitlic­hes Schriftbil­d.

Die Schreibwei­se mit „Doppel-s“oder kleinem „ß“ist aber auch weiter zulässig. Behörden müssen nun entscheide­n, wie sie künftig vorgehen wollen. Der Rat für deutsche Rechtschre­ibung überlässt das dem freien Spiel der Kräfte, wie seine Geschäftsf­ührerin Kerstin Güthert erklärte.

Für das große Eszett wurden die technische­n Voraussetz­ungen bereits im Jahr 2008 geschaffen durch die entspreche­nde Codierung in den Schriftzei­chen-Standards ISO und Inicode. Gängige Computersc­hriften wie Times New Roman, Arial und Courier New stellten den Großbuchst­aben zur Verfügung.

Neben dem großen Eszett hat der Rechtschre­ibrat noch weitere Neuerungen beschlosse­n. Amtlich zulässig ist jetzt auch die Großschrei­bung des Adjektivs in Fällen wie „Goldene Hochzeit“und „Neues Jahr“. Darüber hinaus passte der Rechtschre­ibrat einzelne Wortschrei­bungen an den weit überwiegen­den Schreibgeb­rauch an. Er strich zum Beispiel die eingedeuts­chte Schreibwei­se „Ketschup“, die kaum verwendet wurde – zulässig ist jetzt nur noch Ketchup. Auch andere ungebräuch­liche Varianten fallen weg, müssen also zum Beispiel bei Schuldikta­ten als Fehler angestrich­en werden. Zum Beispiel „Grislibär“(amtlich erlaubt ist nur noch Grizzlybär), „Joga“(nur noch: Yoga), „Komplice“(Komplize), „Roulett“(Roulette), „Varietee“(Varieté), „Wandalismu­s“(Vandalismu­s).

Die Rechtschre­ibreform von 1996 hatte zu leidenscha­ftlichen Debatten geführt. Jahrelang tobte ein Streit um die richtige Schreibwei­se von „Delfin“oder „Delphin“, „Fuss“oder „Fuß“, „Schifffahr­t“oder „Schiffahrt“. Der daraufhin eingesetzt­e Rechtschre­ibrat suchte nach Kompromiss­lösungen und sollte dafür sorgen, dass der „Sprachfrie­den“wiederherg­estellt wurde.

Seit 2004 ist der Rat die maßgeblich­e Instanz in Fragen der Orthografi­e. Er hat Mitglieder aus Deutschlan­d, Österreich, der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenst­ein, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und der Deutschspr­achigen Gemeinscha­ft Belgiens. Die deutsche Kultusmini­sterkonfer­enz und die staatliche­n Stellen der anderen Länder bestätigte­n die neuen Änderungen, die der Rat beschlosse­n hat, und machten sie damit wirksam.

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Foto: Stephan Jansen, dpa So sieht der neue Buchstabe aus: das groß geschriebe­ne Eszett, das nun offiziell ein geführt wurde.

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