Ein Schlag gegen die Freiheit der Kunst?
Thorwald Proll hat vor 50 Jahren Kaufhäuser angezündet. Nun entzündet sein Auftritt in Augsburg eine Debatte um das Friedensfest-Programm. OB Gribl erklärt, was sich ändern soll
Herr Gribl, Sie haben den Auftritt des linken Kaufhaus-Brandstifters Thorwald Proll im Rahmen des Friedensfest-Programms kritisiert. Sie wollen, dass das Programm deshalb künftig dem Kulturausschuss vorgelegt wird. Können die Stadträte dann Teile verbieten?
Nein. Schauen Sie: Als Joachim Lang noch für das städtische Brechtfestival verantwortlich war, wurden die Programmpunkte oft heftig debattiert. Nicht wenige der Stadträte, die jetzt „Zensur“rufen, haben damals gern von ihrem Recht Gebrauch gemacht, das Programm ausdrücklich nicht zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Das bedeutete aber nicht, dass etwas verboten oder aus dem Programm gestrichen wurde. Doch gestritten wurde. Und das ist gut so. Wir dürfen hier nicht mit zweierlei Maß messen. Der Stadtrat muss die Möglichkeit zu einer nicht zustimmenden Kenntnisnahme haben. Er braucht sich nicht alles zu eigen zu machen oder zurechnen zu lassen. Ich bezeichne das als Befassungskompetenz.
Es bleibt aber auf jeden Fall dabei, dass das Programm vorgelegt werden muss?
Selbstverständlich. Genauso, wie schon jetzt das Sommerprogramm des Botanischen Gartens dem Umweltausschuss oder das Brechtfestival dem Kulturausschuss vorgelegt wird. Dass sich die Stadträte damit befassen und darüber debattieren, ist längst gängige Praxis.
Gilt das dann auch für alle anderen Kulturaktivitäten der Stadt – etwa die Lange Kunstnacht?
Das hängt davon ab, wie sensibel ein Format vom Inhalt her ist. Hier sind das Augenmaß und die Professionalität der städtischen Programm-Macher gefordert. Im aktuellen Fall hätte ich mir auf dem Podium unterschiedlichere Positionen gewünscht. Zum Beispiel hätte es der Diskussion gut zu Gesicht gestanden, wenn neben einem ehemaligen Täter auch ein anderer Zeit- zeuge von damals oder ein Opfer von terroristischer Gewalt einbezogen worden wäre.
Es gibt Kritik, Sie würden mit Ihrem Vorgehen die Kunstfreiheit einschränken. Wie stehen Sie dazu?
Es ist doch klar, dass ein mit Steuergeldern finanziertes Kulturprogramm auch dem Stadtrat vorgelegt werden sollte. Der Rat ist von den Bürgern gewählt. Das Programm sollte nicht allein dem Ermessensspielraum von Personen unterliegen, die wiederum in einem Dienstverhältnis mit der Stadt stehen. Wir alle sind Angestellte der Bürger dieser Stadt. Um damit sind wir den Bürgern in wichtigen Fragen auch zur Rechenschaft verpflichtet. Pressefreiheit und Kunstfreiheit hingegen sind unverhandelbare Grundrechte.
Die Debatte mit Thorwald Proll am Dienstag verlief ruhig. Es ging nicht, wie von manchem befürchtet, um eine Rechtfertigung der Gewalt bei den Hamburger G20-Protesten. War Ihre Kritik nicht doch etwas überzogen?
Ich bin völlig unerschrocken, was die Diskussion angeht. Es ist gut, dass wir sie führen. Meine Kritik zielte ja auch nicht auf die Veranstaltung an sich ab, sondern auf die Besetzung des Podiums mit einem verurteilten Kaufhausbrandstifter aus der linken Szene. Wie groß wäre die Empörung, wenn ein ehemaliger Straftäter aus dem rechtspopulistischen Lager zu einer städtischen Veranstaltung geladen worden wäre, um dort seine Sicht der Dinge ungehindert darlegen zu können? Das tiefe Bekenntnis des Hohen Friedensfestes ist die Gewaltfreiheit. Ich lehne jede Form von Gewalt ab. Das gilt für jegliche politische Blickrichtung.