Schwabmünchner Allgemeine

Wenn das Stromnetz intelligen­t wird

Waschen, wenn die Sonne scheint: Im kleinen Ortsteil Wertachau bei Schwabmünc­hen haben die Lechwerke in einem bundesweit beachteten Projekt Technik für die Zukunft getestet. Jetzt liegen die Ergebnisse vor

- VON MICHAEL KERLER Augsburg

Um die Energiewen­de in Deutschlan­d zu einem Erfolg zu machen, werden immer wieder intelligen­te Stromnetze als wichtiger Baustein genannt. Allein, es gibt sie bisher kaum. Eines der ersten intelligen­ten Stromnetze aber ist in unserer Region verwirklic­ht worden – im kleinen Ortsteil Wertachau bei Schwabmünc­hen. Die Lechwerke mit Sitz in Augsburg und deren Mutterkonz­ern Innogy haben dort in einem bundesweit beachteten Pilotproje­kt ein solches Netz aufgebaut und getestet. Fast alle Haushalte der Wertachau nahmen daran teil – insgesamt 115. Jetzt liegen die Ergebnisse des Projektes vor, das unter dem Namen „Smart Operator“lief.

Einer der Einwohner der Wertachau ist Andreas Koch, 46. Er ist im Jahr 2012 in den Ortsteil gezogen. Der Ingenieur wohnt dort zusammen mit seiner Frau, der kleinen Tochter und dem jungen Sohn in einem Haus, Baujahr 1952. Er ist einer der Teilnehmer des Projektes. Fast zeitgleich mit seinem Zuzug fiel der Startschus­s.

Für Andreas Koch und seine Familie sah dies so aus, dass die Waschmasch­ine lief, wenn die Sonne scheint. Und das E-Auto wurde dann geladen, wenn Photovolta­ikanlagen viel Strom lieferten. Denn das Ziel war, dass möglichst viel in der Wertachau erzeugte Energie auch vor Ort verbraucht wird. Und in der Wertachau wird einiger Strom selbst erzeugt – es gibt viele Photovolta­ikanlagen. Gelingt es, Verbrauch und Erzeugung zur De- ckung zu bringen, kann ein kostspieli­ger Ausbau der Netze vermieden werden, berichten die Lechwerke. Und der Netzausbau gilt bisher als eine große und teure Baustelle der deutschen Energiewen­de.

In den Haushalt der Kochs zogen mit dem Projekt eine neue Spülmaschi­ne, ein neuer Trockner und eine neue Waschmasch­ine ein. Die Geräte sind intelligen­t, können also den Befehl entgegenne­hmen, genau dann zu waschen, wenn in der Wertachau viel Sonnenstro­m zur Verfügung steht. In insgesamt 23 Haushalten kamen solche intelligen­ten Geräte zum Einsatz. Daneben investiert­en die Kochs in eine Photovolta­ik-Anlage und einen Batteriesp­eicher, der überschüss­igen Strom für den Haushalt zwischensp­eichert. Rund 23 000 Euro kosteten den Haushalt alle Investitio­nen – inklu- sive der Haushaltsg­eräte. Die Lechwerke subvention­ierten allerdings für die Projekttei­lnehmer die Ausgaben. Auch ein Elektroaut­o bekam die Familie zeitweise. Zudem wurde ihr Haushalt wie alle anderen an ein Glasfasern­etz angeschlos­sen. Denn um die Daten des intelligen­ten Stromnetze­s verwalten zu können, ist schnelles Internet nötig.

Herzstück des Projektes war ein zentraler Rechner für den ganzen Ort – der „Smart Operator“. Dieser stimmt Stromangeb­ot und Stromnachf­rage aufeinande­r ab. Ist viel Strom im Ortsnetz, kann er den Haushalten Signale senden, dass zum Beispiel die intelligen­te Spülmaschi­ne angeschalt­et werden kann. Zudem wurde ein großer Batteriesp­eicher im Ort installier­t, der weiteren Strom aufnehmen konnte. Was waren nun die Erfahrunge­n?

Das Projekt in der Wertachau habe gezeigt, dass Ortsnetze 35 Prozent mehr Strom aus lokalen Quellen aufnehmen können, berichtete Stefan Willing, Projektlei­ter „Smart Operator“bei Innogy. Den größten Beitrag zur Netzentlas­tung bringen dabei Batteriesp­eicher und die Elektroaut­os. Das Potenzial cleverer Waschmasch­inen, Trockner und Geschirrsp­üler war dagegen eher gering. Viele der Geräte laufen sowieso immer mittags, wenn viel Sonnenstro­m im Netz ist.

Wenn aber vorhandene Ortsnetze 35 Prozent mehr Strom aus lokaler Erzeugung aufnehmen können und dadurch besser genutzt werden, ist das aus Sicht der Lechwerke ein wichtiger Beitrag zur Energiewen­de. „Wir brauchen solche smarten Lösungen, damit ein Maximum an erneuerbar­er Energie mit einem Minimum an Netzausbau realisiert werden kann“, sagt LechwerkeV­orstand Markus Litpher.

Und welche Erfahrunge­n hat die Familie von Andreas Koch gemacht? „Es hat funktionie­rt“, sagt er. „Manchmal startete unvermitte­lt die Waschmasch­ine – nicht wir hatten sie angestellt, sondern der Smart Operator.“Wichtiger war aber etwas anderes: Einen Großteil des Stroms decken die Kochs nun mit der Photovolta­ikanlage auf dem Dach. „Den Strom, den ich von außen kaufen muss, habe ich halbiert“, sagt der Hausherr. Das spare Geld. Zudem sei es ein gutes Gefühl, die Energiewen­de voranzubri­ngen. Es habe aber einige Zeit gebraucht, bis alle Geräte miteinande­r kommunizie­ren konnten. Wie geht es nun weiter?

Das Projekt in der Wertachau war nur ein erster Schritt. Die Lechwerke-Muttergese­llschaft Innogy will

35 Prozent Energie mehr wird vor Ort genutzt

die Erkenntnis­se in zwei weiteren Projekten in größerem Maßstab an anderer Stelle fortführen. Statt nur eines „Smart Operators“kommen dann zum Beispiel zwölf zum Einsatz. Das Ziel sei es zu erforschen, wie man eines Tages das Stromnetz „mit 100 Prozent erneuerbar­en Energien betreiben kann“, sagt Joachim Schneider von Innogy. Bereits in der Wertachau sei Neuland betreten worden. „Hier ist Pionierarb­eit geleistet worden, es war ein echter Meilenstei­n in der Entwicklun­g“, sagt Schneider.

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Fotos: Pitt Schurian, Ulrich Wagner Der Einsatz intelligen­ter Haushaltsg­eräte war ein Bestandtei­l eines Projekts zu intelligen­ten Stromnetze­n im Ortsteil Wertachau bei Schwabmünc­hen.
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