Schwabmünchner Allgemeine

Vom Dachboden auf die große Bühne

Martha Denzel entdeckt in Schwabmünc­hen eine alte Geige und lässt sie restaurier­en. Das Alter überrascht alle, und eine Zehnjährig­e freut sich darüber ganz besonders

- VON UWE BOLTEN Schwabmünc­hen

Martha Denzel entdeckt in Schwabmünc­hen eine alte Geige. Darüber freut sich nun eine Zehnjährig­e ganz besonders.

Vorsichtig und mit glückliche­m Gesicht streicht Anna Willutzki mit dem Bogen über die Saiten ihres neuen Instrument­es. Ein warmer und weicher Ton dringt an die Ohren der Zuhörer. Normalerwe­ise probt die Zehnjährig­e im Musikzimme­r der Sankt-Ulrich Grundschul­e alleine mit ihrer Geigenlehr­erin Elisabeth Petz, doch heute sind zwei Besucher anwesend: Schulleite­rin Ursula Timmler und Martha Denzel. Und das hat einen Grund.

Denzel, die Chefin des ehemaligen, gleichnami­gen Schuhgesch­äftes, hat für Anna ein ganz besonderes Geschenk dabei. Sie schenkt der Stadtmusik­kapelle eine Geige, um das gemeinsame Projekt der Streicherk­lassen zwischen der Kapelle und der Grundschul­e zu unterstütz­en. „Das Instrument war schon in unserem Hause, als mein Großvater noch lebte. Wie sie zu uns kam, ließ sich auch in der Familiench­ronik nicht mehr nachvollzi­ehen“, erzählt Denzel. Einst habe mal ein Pfarrer im Haus gewohnt, zu Kriegszeit­en hätten Menschen aus Augsburg dort eine Unterkunft gefunden. „Die Geige war halt immer da. Ich habe sie lange im Wohnzimmer aufbewahrt, dann mal wieder zur Schaufenst­erdekorati­on genutzt“, erzählt die frühere Geschäftsf­rau. 1996 habe sie das Haus an der Fuggerstra­ße, welches wegen des Neubaus des Fuggerhofe­s abgerissen wurde, geräumt. Mit Fertigstel­lung 1998 sei sie wieder zurückgezo­gen. „Die Geige blieb allerdings bei meimit ner Mutter“, beschreibt sie die abenteuerl­iche Geschichte des Instrument­s. Nach dem Tode der Mutter und dem Ausräumen des Hauses tritt auch wieder die Geige in Denzels Leben. „Was mach ich nun mit der Geige?“, habe sie sich gefragt. Da mehrere Geigenbaue­r und Restaurato­ren die hohe Qualität des Instrument­es bestätigte­n, suchte Denzel jemanden, der das Instrument spielt.

In der Folge nahm sie mit Ferdinand Knaus von der Stadtmusik­kapelle Kontakt auf, der sich sehr über das Angebot freute. Knaus, der aus berufliche­n Gründen bei der offizielle­n Übergabe fehlte, erzählte im Vorfeld: „Die Kinder fangen in der Regel mit kleineren Geigen an. Doch mit Anna gebe es eine Musikerin in der Streicherk­lasse, die aufgrund ihrer Körpergröß­e eine größere Geige brauche. Das Instrument werde immer weitergege­ben, wenn ein Mitglied die Streicherk­lasse verlasse“, erläuterte Knaus den Plan.

Dankbar ist Knaus vor allem darüber, dass Martha Denzel das nach Expertenme­inung wohlklinge­nde und wertvolle Instrument auch noch auf eigene Kosten hat restaurier­en lassen. „Wir werden alles daran setzen, den einzigen Wunsch der Spenderin zu realisiere­n: Das Instrument solle klingen und gespielt werden“, sagt Knaus.

Zusätzlich spendiert die Musikliebh­aberin noch einen Ersatz für den fehlenden Geigenkoff­er. „Ich hatte ja keine Ahnung, was es sich mit dem Instrument auf sich hatte“, berichtet die Spenderin, die nun weiß, dass es sich um eine gut 100 Jahre alte Kopie einer Stainer-Geige handelt. „Die hohe Wölbung von Decke und Boden sowie die schlanke Korpusform lassen diesen Schluss zu“, erläutert Geigenlehr­erin Elisabeth Petz.

Und während die Erwachsene­n noch über Schulterst­ütze und Bauform diskutiere­n, packt Anna das Instrument mit sicherem Griff vorsichtig in den Koffer. Heute wird sie dem Instrument keine Klänge mehr entlocken, sicher aber bei den nächsten Konzerten der Jugendblas­und Stadtmusik­kapelle in der Schwabmünc­hner Stadthalle.

 ?? Foto: Uwe Bolten ?? Sichtlich zufrieden lauscht Spenderin Martha Denzel gemeinsam mit Geigenlehr­erin Elisabeth Petz und Schulleite­rin Ursula Timmler (von links) dem Spiel von Anna Wil lutzki auf der gut 100 Jahre alten Kopie einer Stainer Geige.
Foto: Uwe Bolten Sichtlich zufrieden lauscht Spenderin Martha Denzel gemeinsam mit Geigenlehr­erin Elisabeth Petz und Schulleite­rin Ursula Timmler (von links) dem Spiel von Anna Wil lutzki auf der gut 100 Jahre alten Kopie einer Stainer Geige.

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