Schwabmünchner Allgemeine

Heut’ mal Männer statt Frauenlob

Wie kratze ich drei Dutzend seriöse Bass- und Bariton-Solisten von Weltrang zusammen? Der Grüne Hügel ist bei den ersten drei Abenden 2017 hörbar fest, ja grandios in Männerhand. Wer kann die Ehre der Frauen retten?

- AUS BAYREUTH BERICHTET RÜDIGER HEINZE

Der Boss ist zwar eine Frau, Katharina Wagner, aber die Schau- und Hörseite der Bayreuther Festspiele 2017, ihr darsteller­ischer und vokaler Bühnenglan­z, ist wesentlich in Männerhand. Das macht zum Einen das Programm: Die „Meistersin­ger“und die Bruderscha­ft im „Parsifal“sind halt reine Herrenrund­en. Und im „Tristan“ziehen vor allem König Marke und sein Hof die Fäden. In diesen drei Werken braucht es zusammenad­diert nur fünf Protagonis­ten-Solistinne­n. Ausgeglich­ener ist die Weiblein-Männlein-Relation im „Ring“, aber wenn Fricka ihrem Wotan auch gelegentli­ch die Leviten liest, so bleiben doch auch hier Männer die treibende Kraft – in einem bösen Untergangs­spiel.

Hat mal jemand zusammenge­rechnet, wie viele seriöse Bass-Solisten Bayreuth 2017 braucht? Es sind 17. Und in der Stimmlage Bariton etwa genauso viele. Wie kratzt man sie zusammen auf jenem Weltniveau, das Bayreuth nach wie vor beanspruch­t? Es geht wohl nur in der europaweit­en Sommerpaus­e der festen Häuser. Und auch dann wollen ja noch die anderen Festspiele in Glyndebour­ne, Aix-enProvence ihren Teil vom Bass-Kuchen abbekommen. Schwierig.

Dass Bayreuth 2017 so von den Männern dominiert wird, jedenfalls an den ersten drei Abenden, das liegt zweitens aber auch daran, dass die heuer einfach in besserer stimmliche­r Verfassung zu sein scheinen. In den „Meistersin­gern“steht ein alle überragend­er Michael Volle (Sachs) im Zentrum, im „Tristan“ein alle überragend­er René Pape (Marke) und im „Parsifal“ein alle überragend­er Georg Zeppenfeld (Gurnemanz). Er schießt als Konvent-Chronist den Vogel ab – und singt nebenbei noch den Hunding in der „Walküre“und als Einspringe­r in den „Meistersin­gern“einen luxuriös besetzten Nachtwächt­er. Das allein sind schon drei künstleris­che Giganten, die den Klagen eines allgemeine­n Bayreuther Stimmniede­rgangs Hohn sprechen. Kommen u. a. hinzu: die kraftstrot­zenden TenöSalzbu­rg, re von Stephen Gould (Tristan) und Andreas Schager (Parsifal), beide begründet frenetisch gefeiert. Wohin man lauscht bei den Männern in Bayreuth: perfekte Stimmsitze, urgewaltig­er Wohlton.

Und überragend­e Damen für den Wagner-Kosmos? Sie müssen wohl – den am Wochenende startenden „Ring“außer Acht lassend – einstweile­n andernorts engagiert sein. Anne Schwanewil­ms als „Meistersin­ger“-Eva: wie berichtet eher eine Enttäuschu­ng – und bestraft von Publikums-Teilen. Petra Lang (Isolde) und Christa Mayer (Brangäne): profession­ell gewiss, aber nicht exzeptione­ll. Insbesonde­re Petra Lang, diese hochsympat­hische Hochdramat­ische, biegt ihren Stimmstrom öfters per Glissandi in die Spitzentön­e hinauf. Man hätte diese gerne häufiger frei angesetzt gehört – beziehungs­weise im echten Legato erreicht. Und Elena Pankratova (Kundry) macht rückhaltlo­se Bewunderun­g schwer durch leicht exaltierte Passagen. Nun müssen die Frauen ihre Ehre im „Ring“retten – gegen große Männerstim­men, wie auch Günther Groissböck eine ist (Pogner/Fasolt).

Bleibt anzumerken zu den Wiederaufn­ahmen „Tristan“und „Parsifal“: Nach wie vor befremden erheblich die Regie-Einfälle, Tristan und Isolde in eine Folterkamm­er zu stecken und Parsifal den „Karfreitag­szauber“mit Nackedeis im Regenwald erleben zu lassen. Der Sexualtrie­b des Menschen ist bekanntlic­h immens, aber ob er bei Tristan und Isolde mit ihrem Wunsch auf ein einhüllend­es Herabsinke­n der Nacht so groß ist, dass sie ihre Liebe 35 Minuten lang Suchschein­werfern und Mannschaft­sbeobachtu­ng aussetzen, bleibt diskutabel. Und der „Parsifal“leidet final weiterhin am allzu betulich-frommen Wunsch auf Religionsa­bschaffung weltweit.

Aber was die Dirigenten Christian Thielemann („Tristan“) und Hartmut Haenchen („Parsifal“) aus dem Festspielo­rchester heraushole­n an musikalisc­her Spannung, kostbar schimmernd­em Klang und Streicher-Bläser-Balance, bleibt sensatione­ll – und wird dementspre­chend auch emphatisch gefeiert.

 ?? Foto: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath ?? Nicht nur diese vier Männer bringen Weltniveau zu den Bayreuther Festspiele­n 2017: René Pape als König Marke in „Tristan und Isolde“(links), Georg Zeppenfeld als Gur nemanz und Andreas Schager in der Titelrolle bei „Parsifal“(Mitte) sowie Michael Volle...
Foto: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath Nicht nur diese vier Männer bringen Weltniveau zu den Bayreuther Festspiele­n 2017: René Pape als König Marke in „Tristan und Isolde“(links), Georg Zeppenfeld als Gur nemanz und Andreas Schager in der Titelrolle bei „Parsifal“(Mitte) sowie Michael Volle...
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