Der Horror nebenan
Die Mindelheimerin Aysegül Yigit macht Urlaub in Hurghada. Nur fünf Hotels weiter findet ein blutiger Überfall statt
Der Täter kommt als harmloser Badegast getarnt. Er schwimmt vom Meer her auf die Hotelanlagen im ägyptischen Seebad Hurghada zu. Am Strand beginnt er ein Gespräch mit zwei deutschen Frauen, um dann unvermittelt mit einem Messer auf die beiden einzustechen. Es ist der 14. Juli, irgendwann in den Nachmittagsstunden in Hurghada, einem Traumziel vieler Deutscher. Nur fünf Hotels weiter macht Aysegül Yigit aus Mindelheim Badeurlaub mit ihrem Mann.
Von der schrecklichen Tat bekommen die beiden nichts mit. In Deutschland läuft die Nachricht über den Terroranschlag bereits über alle Kanäle. Erst als ihre Smartphones kaum noch aufhören wollen, zu blinken, erfahren die beiden Unterallgäuer von dem Anschlag.
Besorgte Freunde, Bekannte, Kunden ihres Friseurgeschäfts erkunden sich via Facebook, Instagram und WhatsApp, wie es ihnen geht. „Das war ein tolles Gefühl, zu erleben, wie viele Menschen sich um uns Sorgen gemacht haben“, erzählt Ay- segül Yigit, die in Kammlach aufgewachsen ist und vor Jahren als türkischstämmige Faschingsprinzessin viel Sympathien gesammelt hatte. Auch im Laden hatten einzelne angerufen und sich erkundigt, ob alles in Ordnung sei. Schnell wird klar: In ihrer unmittelbaren Nähe sind zwei Frauen gestorben. Vier weitere Menschen wurden verletzt. Sicherheitskreise in Kairo sprechen nach der Messerattacke von einem Angriff der Terrororganisation Islamischer Staat. Über RTL II, das im Hotelzimmer empfangen werden konnte, erfuhren sie Näheres.
Im Seebad dagegen wird das Thema kleingehalten. Auch auf Nachfrage geben sich die Kellner im Hotel ahnungslos. „Vielleicht durften sie aber auch nichts sagen“, vermutet Aysegül Yigit. Es sollte wohl eine Panik vermieden werden.
Der Anschlag hat sich gleichwohl rasch unter den europäischen Gästen herumgesprochen. Die Unsicherheit war mit Händen zu greifen. Kommt da noch mehr? Besteht Gefahr für Leib und Leben? Einige wollten ihr Hotel nicht mehr verlassen, erzählt die Mindelheimer Geschäftsfrau. Sie haben den Rest ihres Urlaubs lesend im Gebäude verbracht. Sie selbst hat beruhigt, dass starke Polizei- und Sicherheitskräfte aufgefahren waren. „Da habe ich mich sicher gefühlt.“
Überhaupt sei sie kein ängstlicher Mensch. Wenn etwas passiert, passiert es. Das sei Schicksal. Mit ihrem Mann hat sie ein Einkaufszentrum in Hurghada besucht. Hier waren Personenkontrollen wie auf einem Flughafen angeordnet. Auch das hat Yigit beruhigt. In Hurghada war sie schon das vierte Mal, wo sie sich immer sehr wohlgefühlt hat. Das Klima sei wunderbar, das Meer warm und die Menschen sehr freundlich. Für Freunde des Tauch- und Schnorchelurlaubs ist es ein wunderbares Reiseziel.
Aber offenbar auch für Gewalttäter. Inzwischen sei allerdings nicht mehr sicher, ob es wirklich eine Terrortat des IS gewesen war. Yigit wurde gesagt, es habe sich um eine Beziehungstat gehandelt. Die zwei Frauen und der 28-jährige Täter hätten sich schon von früher gekannt. Yigit sagt, es könne inzwischen überall auf der Welt geschehen, Opfer von Terror oder einer Amoktat zu werden.
An eine vorzeitige Abreise hat Yigit nicht gedacht. Sie waren erst am 10. Juli angereist. Am 24. Juli ging es zurück nach Deutschland. Die Fahrt verlief freilich nicht wie geplant. Erst zehn Stunden später konnte das Flugzeug wegen technischer Mängel abheben. Das war zwar ärgerlich. „Aber mir ist es lieber so“, sagt Yigit, als dass es im Flug Probleme gibt.