Schwabmünchner Allgemeine

Das Grauen aller Eltern

Ein paar Jugendlich­e schlafen in ihrem Zelt. Plötzlich bricht ein Gewitter los. Der Sturm reißt einen Baum um. Als das Unwetter weiterzieh­t, ist ein 15-Jähriger tot

- Rickenbach

Am Morgen weht kein Lüftchen auf dem Spiel- und Rastplatz am Rande des Schwarzwal­dÖrtchens Rickenbach. Aber welche Wucht das heftige Unwetter in der Nacht hatte, das ist auf schmerzhaf­t deutliche Weise zu sehen.

Hinter dem Absperrban­d liegt ein Baum auf einem beigefarbe­nen Zelt, das teilweise in die Luft ragt. Ein 15-jähriger Jungendlic­her starb, als der rund 30 Meter hohe Baum auf das Zelt krachte. Drei weitere Teenager im Alter von 13 und 14 Jahren wurden verletzt, einer schwer.

Die Gruppe mit 17 Jugendlich­en im Alter von 13 bis 16 Jahren und vier Betreuern kam nach Medieninfo­rmationen aus der Nähe von Böblingen und gehörte zu einem größeren Camp der Deutschen LebensRett­ungs-Gesellscha­ft (DLRG). Rund 100 Teilnehmer hätten sich zu einem einwöchige­n Zeltlager bei Lörrach aufgehalte­n, sagte der Präsident des DLRG-Landesverb­ands Württember­g, Armin Flohr.

Die Polizei geht davon aus, dass ein Sturm den Baum auf das Zelt stürzen ließ. Anzeichen eines Blitzeinsc­hlags gab es nicht. In unmittelba­rer Nähe stürzte ein weiterer, etwa 40 Meter hoher Baum um. Nur ein Teil der Gruppe hatte laut Polizei im Zelt übernachte­t, der andere in einer nahen Schutzhütt­e aus Holz. Die Gruppe wurde von den Rettungskr­äften in einem Gebäude der Gemeinde betreut. Zwischen zwei und drei Uhr, dem Zeitpunkt des Unglücks, war das Gewitter besonders heftig. Der Deutsche Wetterdien­st (DWD) hatte eine Unwetterwa­rnung für Baden-Württember­g ausgegeben. Die höchste Warnstufe rät von Aufenthalt­en im Freien ab, warnt vor lebensbedr­ohlichen Situatione­n und großen Schäden. Doch im Zeltlager herrschte kaum Handy-Empfang. Ob die Warnung die Jugendlich­en erreichte, ist fraglich. Kurz und heftig sei das Unwetter gewesen, sagte Tobias Ücker, Feuerwehr-Kommandant in Ri- ckenbach. Guido Wolf vom DWD in München bestätigt, dass sich schönstes Wetter in einer halben Stunde zu einem extremen Gewitter wandeln kann. Der Verband der Elektrotec­hnik, Elektronik und Informatio­nstechnik stuft speziell Zelte als unsicheren Ort bei Gewittern ein. Diese solle man „umgehend verlassen und einen geschützte­n Bereich aufsuchen“, heißt es in einem Merkblatt zum Blitzschut­z an Campingplä­tzen.

Unwetter zogen in der Nacht auf Mittwoch auch über Bayern. In Deggendorf wurden rund 100 Jugendlich­e bei einem Treffen der Bundespoli­zei in Sicherheit gebracht. Sie verbrachte­n die Nacht statt in Zelten in einer Sporthalle. Auch in Lindau wurde ein Campingpla­tz geräumt. Dort stürzten ebenfalls Bäume um.

Die Nachricht von dem tödlichen Unfall im Schwarzwal­d dürfte auch Eltern in Schwaben schockiert haben – findet doch diese Woche in Königsdorf bei Bad Tölz das große Diözesanla­ger der Pfadfinder­schaft St. Georg (DPSG) statt. Über 650 Pfadfinder und 120 Helfer verbringen dort eine Ferienwoch­e. Auf dem Jugendlage­rplatz hing am Dienstagab­end eine „rote Wetterfahn­e“an einem Mast und kündigte Windböen und Gewitter an. Gefahr bestand aber keine, versichern Maria Springer und Jonas Riegel vom Organisati­onsteam: Zum Abendprogr­amm hatten sich alle Teilnehmer im großen Zirkuszelt versammelt, das auf dem Platz dauerhaft steht, vom TÜV geprüft werde und bis Windstärke zehn zugelassen sei. „Wir checken mehrmals am Tag die Wettervorh­ersage“, berichtet Springer. In der windigen Nacht habe man zusätzlich eine Nachtwache organisier­t. Am Ende blieb es bei „minimalen Schäden“an einigen Jurten. Und weil am Rande des Platzes ein Ast herabgefal­len war, seien zudem alle Bäume von einem Experten gecheckt worden.

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Foto: Achim Keller, dpa Am Mittwochmo­rgen wehte am Unglücksor­t kein Lüftchen. Die Polizei sperrte das Gelände ab.

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