Als der Verkäufer mit der Kollektion nach Hause kam
Im besten Fall hatte man früher zwei Hosen: eine für den Alltag, eine für den Sonntag. Dann kamen Jeans und Schlaghosen in Mode – und eine Zeit, in der sich Eltern für die Kinder schämten
Kleidung hatte in den 50er und frühen 60er Jahren (vom Petticoat einmal abgesehen) primär ein Ziel: die Nacktheit zu verhüllen, mehr nicht. Erst Mitte der 60er Jahre entwickelte sich so etwas wie „Modebewusstsein“. Groß waren die Kleiderschränke der Buben und Mädchen damals noch nicht. Mein Schulkamerad Wolfgang trug vom 1. April bis Ende Oktober eine kurze Lederhose. Erst danach kam dann die lange Hose zum Einsatz. Auch das Schuhwerk richtete sich streng nach den Jahreszeiten: Geschlossene Schuhe im Winter und Sandalen im Frühjahr und Sommer.
Ich weiß noch, wie jedes Jahr der Schularzt in die Schule kam (nur der Schulzahnarzt war noch gefürchteter) und eine „Untersuchungskabine“errichtet wurde, indem eine Landkarte vor das Lehrerpult gestellt wurde. Hinter dieser Landkarte mussten wir uns mehr schlecht als recht verdeckt ausziehen. Schulkamerad F., dessen Eltern einen großen Bauernhof hatten, musste an diesem Tag großen Spott der Schulkameraden ertragen. Denn er trug rosarote Unterwäsche – Hemd und Unterhose an einem Stück.
Die Leute aus dem Dorf kamen selten nach Augsburg, um dort Kleidung einzukaufen. Obwohl es mit Jung, Guttmann und Mages schon renommierte Kleidungskaufhäuser gab. In Steppach zuständig für die Kleidung war Herr Eisele, der mit seinem Moped (NSU Quickly) und mit einem riesigen Rucksack auf seinem „Buckel“unterwegs war. Er kam in die Wohnungen und breitete seine Kollektion (Pullover, Hemden, Socken) auf dem Küchentisch aus. Dabei waren auch einige Cordhosen, die damals noch „Manchesterhose“genannt wurde. Pech hatte man als Knabe, wenn man ältere Brüder (war bei Mädels ähnlich) hatte, deren zu kurz gewordene Hosen man auftragen musste. Im besten Fall hatte man zwei Hosen, eine sehr ramponierte für den Alltag und eine Sonntagshose, eine Stoffhose.
Da diese Sonntagshose oft mehrere Jahre getragen werden musste (gerade in der Zeit, wenn wir Kinder wuchsen), mutierte diese Hose bald zur „Hochwasserhose“. Für die jungen Leser: Das waren Hosen, deren unterster Saum gerade mal bis zum Knöchel reichte. So 1964, 1965 kam dann die große Wende (inspiriert von Twiggy): Die Mädchen trugen Miniröcke und wir Buben (oder die Eltern) kauften Jeans. Ich glaube, der erste Laden in Augsburg, in dem es Jeans gab, war Eberle und Strobl in Oberhausen. 1964 bekam ich dieses edle Teil und es kostete 14 Mark. Wenn man bedenkt, dass man heute für eine Nobeljeans mit Löchern 150 Euro hinblättern muss, war das vergleichsweise billig.
Nach den Jeans kamen die Schlaghosen, mit denen wir den Pilz am Kö staubfrei fegten. Diese Schlaghosen gab es auch mit Kette oder mit Schlitz vorne, das nannte sich dann „Shakehose“. Meine erste Flanell-Schlaghose, die ich für satte 75 Mark bei der Boutique Spriewald in der Kohlergasse kaufte, trug meine Mutter zu meinem Leidwesen umgehend in die Boutique zurück, da sie der Meinung war, für eine Hose 75 Mark auszugeben, sei unanständig. So langsam kam der Gammel-Look. Die Leser
Jeder „Gammler“brauchte einen grünen Parka
werden sich erinnern, jeder der jetzt anders aussah als seine Eltern, wurde als „Gammler“bezeichnet. Und jeder „Gammler“benötigte einen grünen Parka. Einen solchen erwarb auch ich. Wenn ich dieses Kleidungsstück im Omnibus trug, würdigte mich mein Vater, wenn auch er darin saß, keines Blickes. Und jetzt wären wir schon bei der Hippie-Zeit angelangt, aber das ist eine andere Geschichte.