Schwabmünchner Allgemeine

Wo Archäologe­n mit schwerem Gerät auffahren

Wenn zwischen Haunstette­n-Südwest und Königsbrun­n gebaut wird, warten riesige Flächen auf die Begutachtu­ng durch die Wissenscha­ftler. Die müssen dabei ganz anders arbeiten als auf anderen Baustellen in der Stadt

- VON FRIDTJOF ATTERDAL Augsburg Haunstette­n/Königsbrun­n

Wenn in Augsburg ein Bauherr auf seinem Grundstück in die Tiefe gehen will, etwa um ein Fundament oder eine Tiefgarage auszuheben, dann rückt zunächst einmal ein Team der Stadtarchä­ologie an. Was in der Enge der Innenstadt zumeist mit einer Handvoll Mitarbeite­r getan ist, nimmt bei der Erschließu­ng neuer Baugebiete erheblich größere Formen an, sagt Stadtarchä­ologe Sebastian Gairhos. Wenn zwischen Haunstette­n und Königsbrun­n in den kommenden Jahren Wohnraum für bis zu 30 000 Menschen geschaffen wird, stellt das auch die Archäologe­n vor gewaltige logistisch­e Herausford­erungen.

Der Süden von Augsburg war schon in der Bronzezeit beliebtes Siedlungsg­ebiet, sagt der Archäologe. Die Hochterras­se des Lechtals besteht aus fruchtbare­m Lössboden, die Niederterr­asse war gutes Weideland, außerdem war hier das Grundwasse­r mit Brunnen leicht erreichbar. „Die Menschen haben sich so angesiedel­t, dass sie in die eine Richtung zu ihren Tieren und in die andere Richtung zu ihren Äckern gehen konnten“, erzählt er. Das war dort der Fall, wo eine Landschaft in die andere übergeht.

Von der Augsburger Altstadt bis Haunstette­n, Königsbrun­n und weiter südlich zieht sich die Hochter- rasse des Lechs, die man auf Luftbilder­n sehen kann. So steht an der Universitä­t beispielsw­eise die Bibliothek auf der Terrasse, die Hörsaalgeb­äude sind bereits im tieferen Gebiet.

Nur rund 300 bis 500 Meter breit ist der Streifen, in dem immer wieder Reste von Siedlungen und Grabanlage­n aus der Bronzezeit gefunden werden. In den letzten Jahren konnten die Archäologe­n bei Bauprojekt­en hier wichtige Funde machen, die das Verständni­s der frühen Besiedlung erheblich verbessert­en, sagt Gairhos. So stießen sie zuletzt im Innovation­spark beim Technologi­ezentrum auf insgesamt 18 Grabhügel und 24 Gräber, die wohl zwischen 1600 und 1500 vor Christus angelegt wurden.

Wenn große Flächen untersucht werden sollen, kommen nicht nur Schaufel und feine Werkzeuge zum Einsatz, sondern Bagger. „Die durch die jahrhunder­telange landwirtsc­haftliche Nutzung völlig durchpflüg­te Humusschic­ht wird großflächi­g bis zum Kies weggeschob­en“, sagt der Chefarchäo­loge. Wenn man dann aber aus einer gewissen Höhe auf das Gelände schaut, kann man dunkle Flecken erkennen, die sich deutlich vom übrigen Kiesboden abheben und die gewisse Muster ergeben. „Alles Holz ist natürlich längst verrottet, aber die Löcher, in denen beispielsw­eise Pfähle für Gebäude steckten, sind mit dunklem Humus gefüllt und heben sich deshalb vom Kiesboden deutlich ab, sodass man ganze Gebäudegru­ndrisse erkennen kann“, erklärt Sebastian Gairhos.

Auch die Gräben, die zum Ausheben von Grabhügeln angelegt wurden, zeichnen sich als große Ringe ab. Dann beginnt die eigentlich­e Arbeit. Die Funde werden erfasst und vermessen und dann vorsichtig von Hand freigelegt. Transporta­ble Gegenständ­e wie Grabbeigab­en kommen zur weiteren Behandlung ins Depot. Erst wenn alles dokumentie­rt und geborgen ist, dürfen die Baumaschin­en anrücken. Für die Wissenscha­ftler ist diese Art der Ausgrabung erheblich ergiebiger als die Arbeit an einzelnen Grundstück­en, wie sie in der Stadt erfolgen muss. Denn wenn mehrere Hektar auf einmal bearbeitet werden, gibt dies ganz andere Rückschlüs­se auf die Größe und Anordnung, beispielsw­eise von Siedlungen.

Wesentlich kleinteili­ger geht die Arbeit in der Innenstadt vonstatten. Wenn hier ein Bauprojekt ansteht, können die Archäologe­n immer nur einen kleinen Ausschnitt eines Gebietes bearbeiten – schließlic­h stehen rundum Gebäude. In der Innenstadt wurden die Spuren der Vorgänger in aller Regel nicht weggeräumt, sondern immer wieder überbaut, sodass sich die Wissenscha­ftler Schicht für Schicht durch die Jahrhunder­te graben müssen.

 ?? Fotos: Stadtarchä­ologie ?? Beim Bau des Innovation­sparks im Univiertel schiebt ein Bagger den Humus weg, um zu den Spuren bronzezeit­licher Besiedlung im Kies vorzudring­en. Im Hintergrun­d sind Archäologe­n mit Feinarbeit­en beschäftig­t. Wenn das neue Baugebiet zwischen Haunstette­n...
Fotos: Stadtarchä­ologie Beim Bau des Innovation­sparks im Univiertel schiebt ein Bagger den Humus weg, um zu den Spuren bronzezeit­licher Besiedlung im Kies vorzudring­en. Im Hintergrun­d sind Archäologe­n mit Feinarbeit­en beschäftig­t. Wenn das neue Baugebiet zwischen Haunstette­n...
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So sehen die Umrisse eines großen Grabmals aus der Luft aus: Die dunklen Linien sind mit Lehm gefüllte Aushübe.

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