Wehret den Anfängen!
Der Oberbürgermeister hat nun also seine Empörung in eine Verfügung an die Stadtverwaltung gegossen und verfügt, dass das Programm des Friedensfestes gebilligt werden muss. Eine Zensur sei das allerdings nicht. Doch was, fragt sich der Leser, ist es dann? Eine bloße Information des Stadtrates über das Programm? Dann ist die Verfügung lediglich dem Wahlkampf und internen Machtkämpfen geschuldetes Getöse sowie gut gemachte PR, um von den aktuellen Skandalen bei der CSU – hier sieht der OB interessanterweise keinen Grund, sich zu empören – abzulenken. Oder aber die künftige Billigung des Stadtrates stellt doch eine Genehmigung dar. Dann lässt die Verfügung Schlimmes erahnen. Denn um sich nicht dem Vorwurf der Willkür auszusetzen, müsste der OB jedes kulturelle Programm (Brecht, Mozart, Theater, Modular) genehmigen lassen. Und dann finden sich nach der Denkart der Verantwortlichen viele Gründe, warum bestimmte Programmpunkte nicht mehr möglich sind: Dann kann kein russischer Geiger mehr beim Mozart-Festival auftreten, weil die EU Russland Sanktionen auferlegt hat, und das Brecht-Festival als von einem Kommunisten inspirierte Veranstaltung dürfte gar nicht mehr stattfinden. Das würde die schlimmste Form der Zensur offenbaren: die Schere im Kopf. In einer solchen Stadt möchte ich nicht leben. Wehret den Anfängen!
Augsburg
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