Immer weniger Spitzenreiter am Start
Verbandsvorsitzender Dr. Max Stechele sieht die Entwicklung im Pferdesport mit Sorge
Sechs Turniertage mit schwäbischen Meisterschaften in Dressur und Springen im Reitclub Ulrichshof sind vorbei. Welche Bilanz ziehen Sie als Vorsitzender des Schwäbischen Reit- und Fahrverbandes?
Dr. Max Stechele: Was den Sport und den Ablauf betrifft, war alles super. Die Reiter, die am Start waren, haben sehr guten Sport geboten. Die Richtigen sind Meister geworden. Es gab auch glücklicherweise keine Unfälle. Nur geben uns die sinkenden Teilnehmerzahlen bei den Meisterschaften sowohl im Springen als auch in der Dressur sehr zu denken. Seit Jahren werden es weniger. Doch diesmal war es sehr auffällig. In der Dressur gab es bei den Reitern nur fünf Meisterschaftskandidaten ... Stechele: Das ist leider ein großer Trend über Jahre. Anfangs fällt das nicht so auf. Aber wenn es weniger als 20 werden, schon. Das ist aber nicht nur im Reitsport so. Sogar im Fußball jammern Vereine, dass sie keine Mannschaften mehr zusammenbekommen. Ich weiß nicht, wo die Jugend hinrennt. Ist Reiten für die Jugend ein zu aufwendiger Sport geworden? Stechele: Der Reitsport war immer schon aufwendig. Aber ich habe den Eindruck, dass die Jugend nicht mehr so bereit ist, sich zu plagen und den geraden Weg des Reitens zu beschreiten. Es gibt ja genügend Alternativen. Andere diverse Reitarten, die man wesentlich schneller erlernen kann und wo man mit entsprechendem Geld auch schneller Erfolge haben kann. Da gibt es dann Leute, die reiten ein halbes Jahr und werden in ihrer Sparte Europameister. Das ist bei uns undenkbar. Reiten ist ein langer und mühevoller Weg. Glücklicherweise gibt es noch Vereine, die sich dem verpflichten.
Gibt es vom Verband her Überlegungen, wie man diesem Trend entgegensteuern kann?
Stechele: Ja, wir überlegen Tag und Nacht. Wir hatten am Wochenende auch eine Kadersitzung mit der neuen Meisterin Michaela Beer. Dabei haben wir zumindest für die Meisterschaften überlegt, ob wir die Wertungsprüfungen nicht statt Freitag nur auf Samstag und Sonntag legen sollen. Wenn jemand am Freitag noch arbeiten muss, kann er die erste von drei Wertungsprüfungen nicht reiten. Damit fällt er schon komplett raus. Aber über so eine Veränderung muss man auch erst einmal mit dem Veranstalter reden. Das ist von mir jetzt noch ein wenig vorgegriffen.
Könnte man von Verbandsseite vielleicht mit speziellen Jugendprogrammen mehr Nachwuchs generieren? Stechele: Da hat die FN, die Deutsche Reiterliche Vereinigung, schon viel ausprobiert – besonders über die Freizeitschiene. Aber es hat sich bisher alles verlaufen. Welche Veranstaltungsform empfinden Sie als zielführend?
Stechele: Die WBO-Turniere haben sich beispielsweise bewährt. Das sind Turniere für die unterste Stufe der Reiterei. Sie sind für die Veranstalter relativ leicht auszurichten, weil es keine so hohen Auflagen gibt. Das halte ich für eine ganz sinnvolle Sache, weil das den Einstieg in den Turniersport auf einem niedrigen Niveau ermöglicht. Und wie bekommt man die Spitzenreiter zurück auf die regionalen Turniere?
Stechele: Wohl gar nicht, denn da zählt kein schwäbischer, kein bayerischer und mittlerweile sogar nicht einmal mehr ein deutscher Meistertitel. Selbst in Aachen hat im Springen die absolute Weltspitze Deutschlands gefehlt. Wohl, weil die erfolgreichen Reiter lieber bei lukrativeren Turnieren an den Start gehen. Dabei will man als Verband doch wahrscheinlich jedes Jahr seine verdienten Meister haben?
Stechele: Das ist sogar unserer Verpflichtung. Aber wenn es nicht mehr möglich ist, können wir uns der Verpflichtung entziehen. Das habe ich auch den Springreitern schon angedroht. Denn eigentlich sind die Kaderreiter verpflichtet, die Meisterschaften mitzureiten. Aber es hält sich niemand daran. Und wir haben auch keine Möglichkeit zu Sanktionen. Wir sind da leider ein zahnloser Tiger.