Bilder für Kinder, Musik für den Tatort
Künstlerkarrieren (20) Seine Pappbücher sind seit 40 Jahren Bestseller. Helmut Spanner, in Augsburg geboren, im Unterallgäu lebend: Er malt, was die Kleinsten verstehen – und komponiert dazu für Fernseh-Krimis. Wie das?
Nassenbeuren/Augsburg Ein Stoffhund auf rotem Hintergrund, Bauklötze auf gelbem, eine kleine Katze, die vor einem Kaninchenkäfig sitzt, diese Bilder kennt jedes Kind. Anders sieht es mit dem Namen aus, der dahinter steht: Helmut Spanner. Den kennt kaum einer, auch nicht die Erwachsenen, die Spanners Pappbilderbücher für ihre Kinder kaufen. Zwölf Millionen Exemplare verkaufte der gebürtige Augsburger in den vergangenen 40 Jahren von Titeln wie „Meine ersten Sachen“,„Ich bin die kleine Katze“und „Erste Bilder – erste Wörter“. Sogar in China kennt man seine Bücher, in England und den USA sowieso. Und es passiert nicht selten, dass ihm Menschen schreiben, die mit seinen Bilderbüchern aufgewachsen sind und diese nun – oft mit Klebeband zusammengehalten und mit deutlichen Abnutzungsspuren – an ihre eigenen Kinder weitergeben.
Davon erzählt Helmut Spanner auf der Terrasse seines Hauses in Nassenbeuren im Unterallgäu. Lange hält er sich nicht bei dem Stolz auf, den er darüber empfindet, die Kindheit mehrerer Generationen geprägt zu haben. Der 66-Jährige kommt gleich zu einem Thema, bei dem er sich in Rage reden kann: Wie ein gutes Bilderbuch für die Kleinsten sein muss. Zuerst aber zeichnet er mit wenigen Strichen die Umrisse einer Tasse auf ein Blatt Papier. „Wir Erwachsene können erkennen, was das ist, ein zweijähriges Kind kann das nicht, das sieht nur die Linien und Flächen.“Mit der Erfahrung des Kindes, dass es den Gegenstand mit beiden Händen umfassen, seinen Finger durch den Henkel stecken, daraus trinken kann, habe diese Zeichnung wenig gemeinsam. „Ein Gegenstand, den ich auf Linien und Flächen reduziere, ist ein Gedankenbild. Es hat nichts mit der Seh- und Tasterfahrung eines Kleinkindes zu tun und erfordert die Fähigkeit zur Abstraktion“, erläutert er. Ein Zweijähriger habe diese Fähigkeit aber noch nicht. Deshalb müssten die Abbildungen für Zwei- bis Dreijährigemöglichst nah an der Realität sein.
Wenn Helmut Spanner eine Tasse malt, dann ist sie dreidimensional und als Gefäß erkennbar. Sie lädt zum Greifen förmlich ein. Einfarbig grün leuchtet sie auf dem roten Hintergrund, „denn ein Muster würde nur vom Wesentlichen ablenken“, führt Spanner aus. Eine Banane malt er mit der Schale, weil sie durch ihre Form auch für einen Mond gehalten werden könnte und dem Spielhund verpasst er zeichnerisch ein Fell. Das wirkt so weich, dass man am liebsten mit ihm kuscheln möchte.
Materialien so plastisch wiederzugeben, dass man meint, sie beim Sehen spüren zu können, ist eine der großen Stärken Helmut Spanners. Doch künstlerische Verwirklichung, darüber ist sich Spanner im Klaren, ist im Pappbilderbuch nicht gefragt. Da geht es darum, den Kleinsten das Tor zur Welt der Bücher zu öffnen, die Kinder da abzuholen, wo sie stehen. Dazu passt eine Geschichte, die Spanner gern erzählt: Als ihm ein befreundeter Maler schrieb, er versinke in einem Meer der Möglichkeiten der Malerei, antwortete er diesem, dass ihm nicht passieren könne. „Ich bin in einer Pfütze tätig und um mich herum stehen Kinder.“
Elementarbilderbücher zu zeichnen sei eben „kein Egotrip“. Das sieht Helmut Spanner daran, dass fast niemand seinen Namen kennt, das spürt er an der Beachtung seiner Bücher in den Feuilletons, das musste er schon an der Akademie der Bildenden Künste in München feststellen, wo er studiert hatte, um Kunsterzieher zu werden. Es waren die Jahre nach 1968, als vieles im Umbruch war, auch die Pädagogik. Damals gründete Spanner eine „Gruppe Bilderbuch“, beschäftigte sich mit Entwicklungspsychologie, befragte Kindergartenkinder und kam zu dem Schluss: „Die Bilderbücher, die den Kindern vorgesetzt werden, sind alle Quatsch“. So unverblümt teilte er das auch Vertretern des Ravensburger Verlages mit, die aber nicht beleidigt waren, sondern ihm die Chance gaben, seine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Das Bilderbuch „Meine ersten Sachen“entstand daraus als praktischer Teil seiner Abschlussarbeit, den 100-seitigen theoretischen Teil bewahrt er immer noch in der Schublade auf. Bewertet wurde die Arbeit von der Akademie mit der Note „mangelhaft“, aber für den Ravensburger Verlag ist das Büchlein immer noch ein Bestseller. Wie auch all die anderen, die in den letzten 40 Jahren in Zusammenarbeit mit seiner Frau Christine, einer ehemaligen Grundschullehrerin, entstanden sind. Mit ihr, die er aus Studientagen kennt, und einer Katze lebt Spanner abwechselnd in Nassenbeuren und in einer Altbauwohnung im Münchner Stadtteil Schwabing, nur einen Steinwurf von dem anderen bedas rühmten Kinderbuchzeichner Ali Mitgutsch entfernt.
Auf den Namen Helmut Spanners kann man im Übrigen nicht nur auf Bilderbüchern stoßen, sondern auch im Abspann von Fernsehserien. Denn vielleicht noch viel leidenschaftlicher, als er mit seiner Sammlung von über 400 Buntstiften hantiert, setzt sich Spanner ans Klavier und komponiert. Die Musik für einige Folgen der Krimiserie „Der Fahnder“stammen von ihm, ebenso die für den legendären Münchner „Tatort“„Frau Bu lacht“. Spanner arbeitete dafür mit dem Regisseur Dominik Graf zusammen, einem Freund aus der Zeit, als er in Marktoberdorf das musische Gymnasium besuchte. Der große Erfolg als Zeichner und Musiker war damals noch nicht abzusehen: In Kunst und in Musik erhielt er die Note vier. „Für meinen weiteren Lebensweg war das ja auch ausreichend“, kommentiert Spanner das trocken.