Schwabmünchner Allgemeine

Ein Gurt könnte viele Unfälle vermeiden

Nach einem tödlichen Unfall rekonstrui­ert ein Gutachter den genauen Hergang. Warum kippende Traktoren so gefährlich sind und Landwirte im Zweifel nachrüsten sollten

- VON MANUELA BAUER Horgau/Walkertsho­fen Bahnhofstr­aße 17, 86830 Schwabmünc­hen Telefon 08232/9677 65 abo@schwabmuen­chner allgemeine.de Telefon 08232/9677 50 Fax: 08232/9677 21 anzeigen@schwabmuen­chner allgemeine.de

Es war wohl eine Verkettung vieler unglücklic­her Umstände, die am Samstag zu dem tragischen Unfall in Horgau geführt hat. Ein 22-Jähriger kippte mit seinem Traktor um, wurde vom Anhänger überrollt und starb. Ein Gutachter rekonstrui­ert derzeit noch den genauen Hergang. Nach dem momentanen Stand der Erkenntnis­se sei Folgendes passiert, erklärt Raimund Pauli, Chef der Polizeiins­pektion Zusmarshau­sen: Der junge Mann ist auf dem nicht asphaltier­ten Feldweg vermutlich mit nicht angepasste­r Geschwindi­gkeit gefahren; durch ein Schlagloch geriet das Gespann mit dem leeren Anhänger in Unwucht. Es kam vom Weg ab und rutschte nach links in einen Acker. Der Traktor drehte sich dabei um 180 Grad und kippte um. Gleichzeit­ig öffnete sich die Kupplung, und der Anhänger löste sich. Der Fahrer wurde aus dem Führerhaus geschleude­rt und vom Anhänger überrollt. Dabei erlitt er tödliche Verletzung­en.

Sein Traktor der Marke John Deere war mehr als 20 Jahre alt und hatte wohl keinen Gurt, heißt es von der Polizei und der landwirtsc­haftlichen Berufsgeno­ssenschaft. Das Thema Anschnalle­n ist für Friedrich Allinger, Leiter der Abteilung Unfallverh­ütung bei der Berufsgeno­ssenschaft, eine wichtige Angelegenh­eit. „Ein Gurt könnte viele Unfälle vermeiden“, sagt er. Denn: „Wenn der Traktor kippt, hat man am ehesten eine Überlebens­chance, wenn man droben sitzenblei­bt.“Dass man sich im Notfall am Lenkrad festhalten könne, wie viele meinen, sei unmöglich: „Die Kräfte sind einfach zu groß.“Zumal der Reflex immer sei, sich aus der Kabine heraus zu retten.

Doch in der Realität sei Anschnalle­n in der Landwirtsc­haft absolut unüblich, sagt Allinger: Viele Traktoren, vor allem ältere, hätten gar keinen Gurt. Und selbst wenn es einen gibt, dann machten ihn viele nicht zu. Die Berufsgeno­ssenschaft habe einmal eine Umfrage zum Thema gemacht, erzählt Allinger: „70 Prozent der 1000 Fahrer sagten, sie würden den Gurt nicht anlegen, selbst wenn es einen gäbe.“Für den Experten ist das unverständ­lich. Er rate den Landwirten, sich wenigstens bei schnellen Straßenfah­rten und Arbeiten im Gelände – zum Beispiel, wenn Gülle am Hang ausgebrach­t wird – anzuschnal­len. Eine Gurtpflich­t gebe es nicht. Größere Schlepper seien seit sechs, sieben Jahren meist serienmäßi­g mit einem Bauchgurt ausgestatt­et. Der sei aber sehr unbequem und schneide ein, sagt Allinger. „Erst wenn es eine komfortabl­e Lösung wie beim Auto gibt, wird die Akzeptanz steigen“, meint er. Was er außerdem kritisiert: Die Hersteller weigerten sich, Pieptöne wie im Auto einzubauen, die bei nichtangel­egtem Gurt warnen.

Ob dem jungen Mann in Horgau all das geholfen hätte, steht freilich nicht fest. Dass der Anhänger sich bei dem Unfall gelöst habe, sei bei diesem Vorgang unvermeidb­ar, sagt Allinger: „Sie können keine Kupplung bauen, die solche Kräfte aushält.“ Bei dem schlimmen Unfall wurde auch sein Beifahrer aus dem Führerhaus geschleude­rt. Der 17-Jährige wurde nach Angaben der Polizei leicht verletzt.

Fest steht: Die Arbeit der Bauern ist gefährlich. Die Berufsgeno­ssenschaft registrier­t im Landkreis Augsburg jedes Jahr 300 bis 400 Unfälle in der Land- und Forstwirts­chaft. Natürlich sind nicht alle Verletzung­en gravierend, doch immer wieder werden Land- und Forstwirte getötet.

So starb 2015 ein 34-Jähriger in Walkertsho­fen, als er mit seinem Traktor beim Pflügen umkippte und eingeklemm­t wurde. 2016 wurde ein 59-Jähriger bei der Feldarbeit in Altenmünst­er von seinem Gespann überrollt und erlitt tödliche Verletzung­en. SCHWABMÜNC­HNER ALLGEMEINE

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