Ein Gurt könnte viele Unfälle vermeiden
Nach einem tödlichen Unfall rekonstruiert ein Gutachter den genauen Hergang. Warum kippende Traktoren so gefährlich sind und Landwirte im Zweifel nachrüsten sollten
Es war wohl eine Verkettung vieler unglücklicher Umstände, die am Samstag zu dem tragischen Unfall in Horgau geführt hat. Ein 22-Jähriger kippte mit seinem Traktor um, wurde vom Anhänger überrollt und starb. Ein Gutachter rekonstruiert derzeit noch den genauen Hergang. Nach dem momentanen Stand der Erkenntnisse sei Folgendes passiert, erklärt Raimund Pauli, Chef der Polizeiinspektion Zusmarshausen: Der junge Mann ist auf dem nicht asphaltierten Feldweg vermutlich mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren; durch ein Schlagloch geriet das Gespann mit dem leeren Anhänger in Unwucht. Es kam vom Weg ab und rutschte nach links in einen Acker. Der Traktor drehte sich dabei um 180 Grad und kippte um. Gleichzeitig öffnete sich die Kupplung, und der Anhänger löste sich. Der Fahrer wurde aus dem Führerhaus geschleudert und vom Anhänger überrollt. Dabei erlitt er tödliche Verletzungen.
Sein Traktor der Marke John Deere war mehr als 20 Jahre alt und hatte wohl keinen Gurt, heißt es von der Polizei und der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Das Thema Anschnallen ist für Friedrich Allinger, Leiter der Abteilung Unfallverhütung bei der Berufsgenossenschaft, eine wichtige Angelegenheit. „Ein Gurt könnte viele Unfälle vermeiden“, sagt er. Denn: „Wenn der Traktor kippt, hat man am ehesten eine Überlebenschance, wenn man droben sitzenbleibt.“Dass man sich im Notfall am Lenkrad festhalten könne, wie viele meinen, sei unmöglich: „Die Kräfte sind einfach zu groß.“Zumal der Reflex immer sei, sich aus der Kabine heraus zu retten.
Doch in der Realität sei Anschnallen in der Landwirtschaft absolut unüblich, sagt Allinger: Viele Traktoren, vor allem ältere, hätten gar keinen Gurt. Und selbst wenn es einen gibt, dann machten ihn viele nicht zu. Die Berufsgenossenschaft habe einmal eine Umfrage zum Thema gemacht, erzählt Allinger: „70 Prozent der 1000 Fahrer sagten, sie würden den Gurt nicht anlegen, selbst wenn es einen gäbe.“Für den Experten ist das unverständlich. Er rate den Landwirten, sich wenigstens bei schnellen Straßenfahrten und Arbeiten im Gelände – zum Beispiel, wenn Gülle am Hang ausgebracht wird – anzuschnallen. Eine Gurtpflicht gebe es nicht. Größere Schlepper seien seit sechs, sieben Jahren meist serienmäßig mit einem Bauchgurt ausgestattet. Der sei aber sehr unbequem und schneide ein, sagt Allinger. „Erst wenn es eine komfortable Lösung wie beim Auto gibt, wird die Akzeptanz steigen“, meint er. Was er außerdem kritisiert: Die Hersteller weigerten sich, Pieptöne wie im Auto einzubauen, die bei nichtangelegtem Gurt warnen.
Ob dem jungen Mann in Horgau all das geholfen hätte, steht freilich nicht fest. Dass der Anhänger sich bei dem Unfall gelöst habe, sei bei diesem Vorgang unvermeidbar, sagt Allinger: „Sie können keine Kupplung bauen, die solche Kräfte aushält.“ Bei dem schlimmen Unfall wurde auch sein Beifahrer aus dem Führerhaus geschleudert. Der 17-Jährige wurde nach Angaben der Polizei leicht verletzt.
Fest steht: Die Arbeit der Bauern ist gefährlich. Die Berufsgenossenschaft registriert im Landkreis Augsburg jedes Jahr 300 bis 400 Unfälle in der Land- und Forstwirtschaft. Natürlich sind nicht alle Verletzungen gravierend, doch immer wieder werden Land- und Forstwirte getötet.
So starb 2015 ein 34-Jähriger in Walkertshofen, als er mit seinem Traktor beim Pflügen umkippte und eingeklemmt wurde. 2016 wurde ein 59-Jähriger bei der Feldarbeit in Altenmünster von seinem Gespann überrollt und erlitt tödliche Verletzungen. SCHWABMÜNCHNER ALLGEMEINE