Schwabmünchner Allgemeine

Wo die Augsburger früher tanzten

Eine AZ-Leserin erinnerte sich im Rahmen unserer Serie an ihre Jugend in der „Bunten Laterne“. Das freut René und Tobias Frydman. Ihr Vater betrieb das Tanzlokal – ebenso wie die „Zirbelnuss“und das „Evergreen“. Seine Söhne erzählen aus dieser Zeit

- VON MIRIAM ZISSLER Aufruf

Viel ist den Brüdern René, 54, und Tobias Frydman, 58, von den Augsburger Gastronomi­en ihres Vaters Izrael nicht geblieben. René Frydman hat eine große blaue Glaskugel aufgehoben, die im „Evergreen“an der Theke als Nusstromme­l diente. Gemeinsam besitzen sie eine Handvoll Fotos: ihr Vater am Tisch einer Gesellscha­ft in der „Zirbelnuss“in der Jakoberstr­aße, ihr Vater am Zapfhahn, ihr Vater in der „Bunten Laterne“, dem späteren „Evergreen“in der Barfüßerst­raße. Die Erinnerung­en sind rar, für eigene Erlebnisse in den Lokalen des Vaters waren die Brüder fast noch zu klein. Umso mehr haben sie sich gefreut, als Leserin Monika Majewski aus Untermeiti­ngen sich im Rahmen unserer Serie „Woisch no“an ihre Jugend erinnerte. Ihr Bericht war im Lokalteil veröffentl­icht. Ihre ersten Tanznachmi­ttage, schrieb sie, waren in der Bunten Laterne in der Altstadt. Nachmittag­s um 14 Uhr wurde geöffnet und die ersten Tanzschrit­te tat man zu Drafi Deutscher und Bernd Spier.

Izrael Frydman kam Anfang der 60er Jahre mit seiner Frau nach Augsburg. Mit zwei Kompagnons eröffnet er die „Bierhalle“in der Wintergass­e. Wenige Jahre später verließ er die Kneipe und stieg bei der „Zirbelnuss“in der Jakoberstr­aße ein. „Das war ein Tanzlokal mit Live-Kapellen“, erzählt Tobias Frydman. Darunter waren auch Rock’n’Roller Roy Black und die Cannons. Tobias Frydman erinnert sich, wie die Straße vor dem Lokal abgesperrt wurde, weil in der „Zirbelnuss“deutsche Besucher und amerikanis­che Soldaten aneinander­gerieten. Sein Bruder René erinnert sich an die „Teufelswur­st“, die aus einem Fenster des Lokals verkauft wurde. „Es war eine extraschar­fe Wurst, die mit Ketchup, Currypulve­r und angebräunt­en Zwiebeln verkauft wurde. Jahre später hieß sie Bosna.“Genaue Jahreszahl­en wissen die Brüder nicht, aber es muss Mitte der 60er gewesen sein, als Izrael Frydman sein eigenes Lokal eröffnete: die „Bunte Laterne“in der Barfüßerst­raße. Es war ebenfalls ein Tanzlokal, das über eine Musik-Box verfügte. „Es war aber auch eines der ersten Lokale in Augsburg, wo Platten aufgelegt wurden“, erinnern sich die Brüder. Der DJ erhielt ein bestimmtes Budget, für das er neue Singles bei Musik-Durner kaufen konnte. Bereits am frühen Nachmittag kam die Jugend zum Tanz. „Damals gingen die jungen Menschen nicht erst spätabends weg. Da war man in dem Alter schon wieder zu Hause“, sagt Tobias Frydman. An sieben Tagen in der Woche hatte sein Vater geöffnet. Er war leidenscha­ftlicher Gastronom, feierte in seinem Lokal Silvester, Fasching und sonstige Feierlichk­eiten. Dann kam eine Nacht Mitte, Ende der 60er Jahre. „Da wurde er von einem Stammgast zusammenge­schlagen und getreten, weil Sperrstund­e war und er nichts mehr ausschenke­n wollte und durfte“, sagt Tobias Frydman. Der Vater erlitt schwere Verletzung­en, musste im Krankenhau­s in München behandelt werden und fiel mehrere Wochen aus. „Danach konnte er das Lokal nicht mehr alleine führen und musste einen Geschäftsf­ührer einstellen.“

Frydman ließ sich nicht unterkrieg­en. Er investiert­e erneut in sein Lokal, nannte es nun „Evergreen“. Tobias Frydman feierte dort seinen 18. Geburtstag. „Bis 20 Uhr durfte ich meine eigene Platten auflegen. Das war eine andere Musik, als sie dort sonst gespielt wurde.“René Frydman durfte einmal wöchentlic­h unter den Stühlen und Tischen nach Kleingeld suchen. „Ich habe dort mit der Taschenlam­pe nach Münzen gesucht, die herunterge­fallen waren. Manchmal kamen da fünf, sechs Mark zusammen, die ich gleich wieder in den Flipper und Spielautom­aten gesteckt habe.“Die Brüder würden sich noch viel mehr solcher Erinnerung­en wünschen. 1977/1978 schloss ihr Vater aus Altersgrün­den das Evergreen. Später wurde nicht mehr all zu viel über die Lokale in der Familie gesprochen.

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Fotos: Familie Frydman Izrael Frydman (Zweiter von rechts) inmitten von seinen Gästen in der Zirbelnuss in der Jakoberstr­aße. Dort gerieten schon einmal deutsche und amerikanis­che Gäste aneinander.
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An Fasching ging es im Evergreen schon einmal hoch her. In Zeiten von Polaroid Fo tos gibt es nun auch schon farbige Erinnerung­en daran.
 ??  ?? Eine lustige Runde in der „Bunten Later ne“in der Barfüßerst­raße.
Eine lustige Runde in der „Bunten Later ne“in der Barfüßerst­raße.
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