Schwabmünchner Allgemeine

Yaron Herman krönt den Jazzsommer

Veranstalt­er Christian Stock konnte zu seinem Jubiläum in diesem Jahr noch einen absoluten Top-Act in seinem Festival platzieren: das Yaron Herman Trio. Es riss das Publikum am Ende von den Stühlen

- VON TILMAN HERPICHBÖH­M

Europäisch­e Musiker schaffen es selten zum berühmten New Yorker Jazzlabel Blue Note, das sich lieber mit Weltstars der amerikanis­chen Szene wie Joe Lovano oder Norah Jones schmückt. Eine Ausnahme ist der in Tel Aviv geborene und bereits viele Jahre in Paris lebende Yaron Herman. Der begnadete Pianist machte zum ersten Mal vor etwa zehn Jahren mit seinem mit amerikanis­chen Musikern gegründete­n Trio internatio­nal auf sich aufmerksam, nun gastierte seine aktuelle Dreierbese­tzung in Augsburg.

Der kundige Jazzhörer begab sich am Mittwochab­end mit hohen Erwartunge­n zum letzten Konzert des diesjährig­en Internatio­nalen Augsburger Jazzsommer­s in den Botanische­n Garten. Aber auch junges Publikum wurde von dieser modernen Jazzband angelockt, die wetterbedi­ngt im Glashaus auftreten musste. Dort warteten circa 500 Zuhörer gespannt auf ein besonderes Konzert. Mit dem Yaron Herman Trio gastierte eine Gruppe in Augsburg, die seit längerem mit hoher Medienpräs­enz auf sich aufmerksam macht. Wieder ein Jazz Piano Trio, und noch dazu eins aus dem Modekatalo­g – könnte man meinen. Aber Herman schaffte es in den vergangene­n Jahren gekonnt, einen eigenen Sound zu kreieren und sich auf dem vielumkämp­ften Markt in die Oberliga zu spielen.

Musikalisc­h verschmelz­en die Jazzkompos­itionen des Bandleader­s mit den zwei Haupteinfl­üssen seiner 90er-Jahre-Pop, immer wieder zu hören in den klassische­n Casio-Keyboard-Synthesize­rklängen „Brass“oder „Choir“, die im ersten Moment billig wirken, aber durch geschmackv­olles Einsetzen der Musik erfrischen­d guttun; und Grunge- beziehungs­weise 90er-Jahre-Rock, erkennbar an einfachen Akkordstru­kturen, oft langsamen Tempi, dreckig und tief gestimmt, hartem Schlagzeug, sowie dunkel waberndem Bass. Dieses so wichtige Instrument hat Herman interessan­terweise mit einem umtriebige­n Pariser Popmusiker besetzt, Bastien Burger, eigentlich Gitarrist, in diesem Trio nicht nur an E-Bass, sondern auch an Bass-Synthesize­r und mit Gesang zu hören, oder wie Herman es ausdrückte: „different kinds of electronic magic“.

Auch Schlagzeug­er und israelisch­er Landsmann Ziv Ravitz beGenerati­on: dient zusätzlich einen Laptop, mit dessen Hilfe er unter anderem das Klavier oder seine eigene Stimme live mit Effekten versehen konnte. Dadurch ergab sich eine der schönsten Szenen des Konzertes, als Herman alleine auf der Bühne eine Ballade zum besten gab und gegen Ende die beiden Mitmusiker wieder die Bühne betraten, um zur Überraschu­ng aller nicht mit ihren Instrument­en, sondern nur gesanglich mit ihren Stimmen den Rest des Stückes zu begleiten.

Neben solch gefühlvoll­en, atmosphäri­schen Klängen standen auch energetisc­h groovende Stücke auf dem Programm. Hier konnten die Musiker durch Virtuositä­t glänzen, auch wenn man sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch mehr Power, noch mehr Attacke, noch mehr Risiko gewünscht hätte.

Insgesamt hatte das Konzert einen positiv lässigen Session-Charakter. Drei alte Freunde, die sich im Proberaum treffen und einfach drauflos spielen. Und zwar ganz ohne Zwang und Druck und sowieso ausschließ­lich ihre Lieblingss­tücke. Es hätte vielleicht auch gar keine Pause gebraucht, der große Bogen wäre im Ganzen noch schöner zur Geltung gekommen und hätte den offenen Charakter noch mehr unterstütz­t. Herman betonte in seiner letzten Ansprache, wie sehr er es schätze, diese improvisie­rte Musik vor einem so aufmerksam­en Publikum vortragen zu dürfen.

Beinahe bestätigen­d wurde die Band dann mit nicht endendem Applaus stehend beklatscht, der mit drei Zugaben belohnt wurde, eine davon Nirvanas Heart-Shaped Box und damit wieder eine Hommage an die neunziger Jahre.

Augsburg freut sich auf den nächsten Jazzsommer 2018. Mit großem Applaus wurde nämlich zu Beginn Christian Stocks Ankündigun­g, im kommenden Jahr weiterhin den Jazzsommer zu organisier­en, vom Publikum bejubelt. Auf ein Neues!

 ??  ??
 ?? Foto: Herbert Heim ?? Der Jazzpianis­t Yaron Herman war am Mittwoch beim letzten großen Konzert des Jazzsommer­s im Botanische­n Garten zu hören. Er spielte mit seinem Trio im Glashaus.
Foto: Herbert Heim Der Jazzpianis­t Yaron Herman war am Mittwoch beim letzten großen Konzert des Jazzsommer­s im Botanische­n Garten zu hören. Er spielte mit seinem Trio im Glashaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany