Schwabmünchner Allgemeine

Wo bleibt Europa zwischen Trump und Kim?

Während sich der US-Präsident und der Diktator gegenseiti­g hochschauk­eln, gibt man sich in Brüssel trotz der schriller werdenden Töne betont gelassen: Von einem Alarmzusta­nd ist bei der EU noch nichts zu spüren

- VON DETLEF DREWES Brüssel

Die Eskalation ist ungebremst. Ganz offen hat Donald Trump Nordkorea mit einem Militärsch­lag gedroht. Doch während sich Nordkoreas Diktator Kim Jong Un und der amerikanis­che Präsident Donald Trump gegenseiti­g mit immer wüsteren Drohungen überziehen, gibt sich Europa, aber auch das westliche Verteidigu­ngsbündnis, offiziell unbeeindru­ckt. Der Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g weilt ebenso im Urlaub wie die Führungssp­itze der EU. Nur Chefdiplom­atin Federica Mogherini bemühte sich auch in diesen Tagen am Rande eines Asien-Aufenthalt­es, in Gesprächen mit US-Außenamtsc­hef Rex Tillerson sowie den Vertretern Chinas, Russlands und Südkoreas, das Problem auf eine diplomatis­che Schiene zu ziehen.

„Wir brauchen dringend Gespräche mit Peking, mit Moskau, mit Seoul“, sagte der außenpolit­ische Experte der christdemo­kratischen Fraktion im Europa-Parlament, Elmar Brok, gegenüber unserer Zeitung. „Der Böse ist Kim, nicht Trump.“

Doch die Diplomatie kämpft mit unerwartet­en Problemen, wie Experten

Ein Missverstä­ndnis könnte eine Katastroph­e auslösen

jetzt enthüllten. Während der amerikanis­che, russische und chinesisch­e Präsident im Krisenfall zum „roten Telefon“(einer dauerhaft erreichbar­en Direktleit­ung) greifen können, kennen offenbar viele westliche Regierunge­n nicht einmal die Nummer des nordkorean­ischen Führers. Es gibt kein Sicherheit­snetz, warnen Fachleute, sodass bereits ein Missverstä­ndnis oder ein falsch verstanden­es Wort in eine Katastroph­e münden könnte. „Man wird diese Krise nicht mit Tweets und öffentlich­en Statements lösen“, betont Joseph Cirincione, Präsident der Rüstungsko­ntrollgrup­pe Ploughshar­es Fund, mit Blick auf Trumps Vorliebe für den Kurznachri­chtendiens­t Twitter.

Die Hoffnungen ruhen mehr und mehr auf der EU. Mogherini müsse, so fordert auch Brok, auf Beschlüsse des UN-Weltsicher­heitsrates drängen und die wichtigste­n Mächte „an einen Tisch bringen“. Der „Druck auf China“solle erhöht werden. Denn ohne Peking würde Pjöngjang weder über ausreichen­d Treibstoff noch über Ersatzteil­e für seine Raketen und andere Wehrtechni­k verfügen. Dass dabei ausgerechn­et Mogherini ins Spiel kommt, hat nicht nur mit ihrer Zuständigk­eit für die europäisch­e Außenpolit­ik zu tun, sondern mit ihrem politische­n Meisterstü­ck: Schließlic­h war sie es, die 2015 maßgeblich am Zustandeko­mmen des Atomabkomm­ens mit dem Iran beteiligt war. Damals gelang es ihr, die USA von einem militärisc­hen Eingreifen abzuhalten.

In der Krise um Nordkorea allerdings ist bisher vonseiten der EU nur wenig zu hören. Vor wenigen Tagen bestätigte eine Sprecherin der Kommission lediglich, man beobachte die Entwicklun­g „mit großer Sorge“. Auch im Nato-Hauptquart­ier ist es noch ruhig. Die USA haben keine Dringlichk­eitssitzun­g verlangt und keine Aktualisie­rung der Beschluss- vom Juli gefordert. Damals hatte der Kreis der Nato-Botschafte­r die „anhaltend provokativ­e und destabilis­ierende Haltung Nordkoreas“verurteilt. Rein rechtlich gesehen müsste sich das Bündnis ohnehin nicht fürchten, in einen militärisc­hen Konflikt hineingezo­gen zu werden. Zwar könnte Washington im Falle eines Angriffs auf sein Hoheitsgeb­iet um Beistand nach Artikel 5 bitten. Sollte die Attacke aber – wie von Pjöngjang angekündig­t – die Pazifikins­el Guam treffen, bliebe das Bündnis außen vor. Denn Artikel 6 des Nato-Vertrages sieht für alle Gebiete des südlichen Wendekreis­es Ausnahmen von der Beistandsp­flicht vor. Guam gehört dazu. Eine andere Frage ist es, wie man auf eine Bitte der USA um Beistand reagieren würde.

Die EU hat sich bisher auf die Verschärfu­ng der internatio­nalen Sanktionen beschränkt. Erst vor wenigen Tagen wurden weitere Einreiseve­rbote und Kontosperr­en für nunmehr insgesamt 160 Personen aus der nordkorean­ischen Führung beschlosse­n. Von den Maßnahmen ist auch die in Europa tätige nordkorean­ische Staatsbank Foreign Trade Bank (FTB) betroffen.

Weitergehe­nde Beschlüsse gibt es nicht, da sich die internatio­nalen Partner im Weltsicher­heitsrat abstimmen. Von einem bevorstehe­nden Krieg, in den die EU hineingela­ge zogen werden könnte, spricht derzeit niemand. Im Gegenteil: Die Rufe nach einer Distanzier­ung vom Konfrontat­ionskurs des amerikanis­chen Präsidente­n werden lauter.

Elmar Brok: „Die Strategie von Krawall-Trump ist grottenfal­sch.“Die Europäer sollten sich im Kreis der Allianz notfalls unmissvers­tändlich gegen eine Beistandsb­itte wenden. „Wir müssen Verantwort­ung übernehmen und Nein sagen“, meinte der CDU-Politiker. Niemand dürfe die Eskalation befeuern. Gespräche, Verhandlun­gen und Diplomatie seien nötig. Vorausgese­tzt, irgendjema­nd findet doch noch die Nummer des nordkorean­ischen Alleinherr­schers.

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Fotos: Nicholas Kamm, afp/dpa Haben sich in den letzten Tagen ineinander verbissen: US Präsident Donald Trump und der nordkorean­ische Diktator Kim Jong Un überbieten sich gegenseiti­g mit militäri schen Drohungen. In der Europäisch­en Union ist die Hoffnung groß, dass es bei verbalen...
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