Ritter Orlando ist eine Frau
Sabine Lauterbach kämpft im Turnier gegen starke Männer. Einmal hat sie am Roten Tor bereits gesiegt. Ihre Stute Pebbles spielt beim Kampf nicht nur eine tragende Rolle
Im Alltag ist Sabine Lauterbach Büroangestellte. In ihrer Freizeit verwandelt sich die 31-Jährige in einen kampfeslustigen Ritter. Genauer gesagt, in Ritter Orlando de Castello, den Schwertführer des Königs von Sizilien. In dieser Rolle tritt sie beim Historischen Bürgerfest in den Rote-Torwall-Anlagen gegen die stärksten Männer an – zusammen mit ihrem Ritterpferd, der Stute Pebbles.
Mit Pferden kennt sich die Diedorferin aus. Sie sind ihre große Leidenschaft. Lange war sie Turnierreiterin. Aber eines Tages hatte sie keine Lust mehr, ständig zum nächsten Wettbewerb zu fahren. Sie hatte auch Sorge um ihr damaliges Pferd, auf dem ein großer Leistungsdruck lastete. „Wenn es älter wird, muss man überlegen, ob man es abgibt, ich habe mich für mein Pferd entschieden.“
Sabine Lauterbach sah sich nach Alternativen um, die auch ihrem Pferd gefallen könnten. Als sie zum ersten Mal das große Ritterturnier in Kaltenberg als Zuschauerin miterlebte, wusste sie: Das will ich auch ausprobieren. „Ich war schon immer
„Ich war schon immer abenteuerlustig.“
abenteuerlustig und das hat mich gereizt.“So nahm sie Kontakt zu den Herzog-Tassilo-Rittern auf und wurde zum Training eingeladen, damals noch mit ihrem Holsteiner-Wallach „Blue“. Lauterbach gefiel das Ritterleben. Sie blieb dabei und fühlt sich nun sehr wohl in der Runde, die bei Mittelalterfesten für spektakuläre Auftritte sorgt.
Doch wie wird man Ritter, noch dazu als Frau? Erst einmal braucht man Kraft und Geschick beim Kämpfen. Deshalb übte sich die 31-Jährige im Schwertkampf. Und dann musste sie auch noch ihr Pferd zum Ritterpferd ausbilden. Das ist nicht ganz einfach. Ihr Wallach „Blue“ist inzwischen im Ruhestand. Sabine Lauterbach reitet nun die Stute „Pebbles“. Das Pferd der argentinischen Rasse Criollo ist eher klein und verschmust. Auf den ersten Blick schaut es eher gemütlich drein. Pebbles erwies sich aber als großes Talent für Ritterspiele. „Sie hat nur sechs Monate für die Ausbildung gebraucht, normalerweise dauert das zwei bis drei Jahre“, sagt Sabine Lauterbach.
Ritterpferde müssen viele Eigenschaften mitbringen, wenn sie vor großem Publikum im Einsatz sind. Sie brauchen Gelassenheit, um mit Lärm und lauter Musik zurechtzukommen. Sie müssen Mut und gute Nerven haben. Denn die Tassilo- Ritter reiten oft mit brennenden Fackeln oder durch Feuerwände. „Feuer ist eine Urangst von Tieren“, erklärt Sabine Lauterbach. Diese müssen sie überwinden lernen. Pebbles hat aber auch Pep, wenn es darauf ankommt. Sie kann blitzschnell vom entspannten Ruhemodus zum rasanten Show-Auftritt umschalten.
Aber das ist noch nicht alles. Ein gutes Ritterpferd sollte auch eine solide Ausbildung in anderen Disziplinen haben. Reitlehrerin Lauterbach hat Pebbles im Westernreiten und in der Spanischen Hofreitschule ausgebildet. Deshalb reagiert die Stute auf Stimmkommandos des Reiters und auf Gewichtsverlagerung. So hat Sabine Lauterbach auf dem Pferderücken die Hände frei, wenn sie als Ritter Orlando die Lanze schwingt.
In den Turnieren beim Historischen Bürgerfest müssen die Tassilo-Ritter nicht nur Mut, sondern auch Geschicklichkeit beweisen. Die „Ritter-Exerzitien“schreiben beispielsweise vor, dass Orlando und Pebbles einer Wildschweinattrappe nachjagen. Die Sau soll mit einem Speer erlegt werden. Bei einer anderen Aufgabe müssen Pferd und Reiter im gestreckten Galopp gemeinsam das richtige Timing haben. Nur wenn es passt, gelingt es Orlando, einen kleinen aufgespießten Apfel mit dem Schwert in Stücke zu spalten.
Besonders gern stellt sich Sabine Lauterbach dem Duell zu Pferde mit den anderen Rittern: „Das ist eine super Herausforderung für mich.“Ihre Konkurrenten sind in der Regel Männer. Und auch wenn die Tassilo-Ritter auf dem Lagerplatz Freunde sind, im Turnier geht es für sie vor allem um Punkte, Ruhm um Ehre. Und natürlich um den Applaus des Publikums.
Sabine Lauterbach entwickelt als Orlando viel Ehrgeiz im Kampf. Von bislang drei Turnieren in Augsburg hat sie eines gewonnen. Vor großem Publikum zu siegen, sei einfach ein schönes Gefühl, sagt sie. Der schönste Moment kommt für die 31-Jährige aber dann, wenn sie am Ende der Schau den Helm abnimmt. Meistens wundern sich die Zuschauer, dass darunter statt eines Mannes eine Frau zum Vorschein kommt. Ein Raunen geht durch die Reihen. Sabine alias Orlando genießt das große Staunen. „Dann weiß ich, ich habe alles gut gemacht.“Aber sie weiß auch ganz genau, welchen Anteil am Erfolg ihre Stute Pebbles hat. Auf die hält sie große Stücke. „Alles steht und fällt mit dem Pferd“, sagt die erfolgreiche Ritterin.