Mit der Christl zum Kaffeetrinken nach Duxford
Flugzeugbauer Andreas Schneider hat sich einen Doppeldecker vom Typ Kiebitz gebaut. Jetzt ist er auf der Suche nach einem Start- und Landeplatz
Ein eigener Landeplatz für einen Kiebitz? Das ist doch ein ungewöhnlicher Genehmigungsantrag, über den der Gemeinderat in Pürgen zu beschließen hatte und den er befürwortete. Ungewöhnlich ja, aber anders, als es im ersten Moment aussah. Denn, bei diesem Kiebitz handelt es sich nicht um einen Vogel aus der Familie der Regenpfeifer, sondern um ein Ultraleichtflugzeug. Ein solches Flugzeug hat Andreas Schneider aus Ummendorf, der an die Gemeinde den Antrag auf Einrichtung eines Landeplatzes stellte, in rund 2800 Arbeitsstunden selbst gebaut. Im Stadl seines Großvaters, nach Bauplänen, die der in Fliegerkreisen bekannte Michael Platzer vor 30 Jahren konstruierte, ungefähr zu der Zeit, als Schneider das Licht der Welt erblickte.
Rot-weiß lackiert steht er da, der Doppeldecker namens Christl, mit dem Kennzeichen D-MASU auf dem Flugplatz in Jesenwang. Längst hat sie ihren Jungfernflug hinter sich und Andreas Schneider genießt sei- Ausflüge mit der Christl. Doch der Reihe nach: 2010 lebte Andreas Schneider in Hamburg, Modellflugzeuge zu bauen, gehörte zu seinen Hobbys. „Beim Stöbern im Internet bin ich auf das Forum kiebitzflieger.de gestoßen“, erinnert er sich. Beim Lesen sei in ihm immer mehr der Wunsch gewachsen, selbst ein solches Flugzeug zu bauen und zu fliegen. Schnell entschloss sich Schneider, die Baupläne samt Lizenz für den Doppeldecker zu kaufen. „Das waren die geringsten Kosten“, berichtet der Baustoffkaufmann. 1000 Euro habe er dafür berappen müssen, seine Christl selbst schaffte es dann auf einen Materialwert von rund 25000 Euro.
Zunächst hieß es, Baupläne studieren, recherchieren, Material beschaffen. Dazu muss man wissen, dass Michael Platzer bei der Konstruktion dieses Flugzeugtyps großen Wert darauf legte, ein Selbstbauflugzeug zu entwickeln, das jeder, der genügend Geduld und Durchhaltevermögen mitbringt, bauen kann. Übrigens lässt es sich Platzer nicht nehmen, jeden einzel- der rund 200 in Deutschland zugelassenen Kiebitze selbst abzunehmen und den Jungfernflug zu absolvieren. So auch bei Schneider.
Doch bis es so weit war, investierte Schneider jede freie Minute in seinen Traum. Abend für Abend verbrachte er im großväterlichen Stadel, wo geschweißt, geschraubt und gebastelt wurde. Für die Tragflächen des Doppeldeckers mussten die Rippen aus Holzleisten gefertigt werden. 20 Rippen pro Tragfläche, das braucht Zeit. Der Rumpf wurde mit Edelstahlnieten vernietet und das gesamte Konstrukt mit einer speziellen Folie bespannt, die teilweise Mama Doris auf den Rippen vernähte. Ein Gerüst, einzig dazu dienend, die Tragflächen beim Anbringen exakt ausrichten zu können, musste gebaut werden und im Cockpit Platz für die Instrumententafeln geschaffen werden.
Der Motor, eigentlich für einen japanischen Kleinwagen gedacht, wurde umgebaut und sorgt mit seinen 60 PS für den nötigen Antrieb des Propellers. Reifen, wie sie normalerweise auf einem Quad monne tiert sind, und Sprühlack aus dem Baumarkt gehörten ebenso zum Equipment, mit dem sich der Flugzeugbauer befassen musste.
Im Oktober 2014 war es so weit. Die Christl, die ohne Sprit und ohne Besatzung 260 Kilogramm auf die Waage bringt, hob zu ihrem Jungfernflug ab. An Bord Entwickler Michael Platzer. Andreas Schneider nahm im November erstmals den Steuerknüppel in die Hand und hob über dem Flugplatz Jesenwang samt Fluglehrer zu seinem persönlichen Jungfernflug ab. „Kalt war es und es hat geregnet“, erinnert er sich. „Was habe ich mir da nur dabei gedacht?“, habe er sich gefragt. Die Freude an seinem Kiebitz und am „Flugwandern“, wie Schneider es nennt, habe er sich dadurch aber nicht nehmen lassen.
Längst ist er im Besitz eines Flugscheines und genießt die Ausflüge mit seinem Ultraleichtflieger. Wer kann schon sagen, er fliege mal kurz zum Kaffeetrinken nach Leutkirch. Oder nach Duxford in England. Mit knapp 2000 Kilometern war das der weiteste Flug, den Schneider absolnen viert hat. Angst davor, dass ihn seine Christl im Stich lassen könnte, habe er keine. Erstens wisse er genau, wie alle Teile verbaut seien. Und zweitens verfügt der rot-weiße Kiebitz über ein Gesamtrettungssystem. „Es gibt einen Auslöser für einen pyrotechnischen Sprengsatz, der einen Fallschirm entfaltet, an dem das Flugzeug samt Besatzung dann zur Erde schwebt.“
Natürlich legt Schneider keinen großen Wert darauf, auf diese Art und Weise auf besagter Wiese in Ummendorf zu landen. Lieber möchte er die rund 150 Meter voll ausnutzen, die er für seine Starts und Landungen braucht. Mindestens 50 Flugstunden möchte der Ummendorfer mit seinem Flieger pro Jahr absolvieren und würde – wenn es Zeit und Geldbeutel zuließen – noch mal ein Flugzeug bauen. „Das hat unglaublich Spaß gemacht.“Den Start- und Landeplatz in Ummendorf will Schneider nur nutzen, um „mal kurz daheim vorbeizuschauen“. Der Heimatflughafen für seinen Kiebitz ist und bleibt der Hangar in Jesenwang.