Schwabmünchner Allgemeine

Behörde: Zwangsehe ist kein Grund zur Flucht

Zwei Pflegekind­er aus Gersthofen haben ein ganz ähnliches Schicksal. Doch nur eines soll bleiben dürfen. Ein Landtagsab­geordneter spricht von einem Skandal

- VON CHRISTOPH FREY Landkreis »Kommentar

Mehrere Jahre teilten die beiden jungen Frauen ein schweres Schicksal: Zwangsheir­at und drohende Genitalver­stümmelung in Äthiopien, ein sklavenähn­liches Dasein in Dubai, ehe ihnen bei einem München-Aufenthalt die Flucht gelang. Jetzt hat das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) entschiede­n, und der Biberbache­r Landtagsab­geordnete Johann Häusler (FW) spricht vom Skandal. Während eine der in Hirblingen lebenden Frauen für drei Jahre bleiben darf, soll die andere Deutschlan­d binnen eines Monats verlassen.

Häusler: „Mir ist völlig schleierha­ft, mit welchen Maßstäben hier unsere oberen Entscheidu­ngsbehörde­n zwei fast identische Fälle bewerten. Unser Land geht damit so weit, menschenve­rachtende Vorgänge wie Genitalver­stümmelung und Zwangsverh­eiratung von Kindern durch solche Abschiebeb­escheide indirekt zu unterstütz­en.“

Den zwei jungen Frauen, jetzt 19, war 2014 die Flucht gelungen, als sich die arabische Familie, der sie dienen mussten, in München aufhielt. Dort wurden die Kinder der Familie medizinisc­h behandelt. Die beiden Äthiopieri­nnen setzten sich ab, als sie unbeobacht­et den Müll hinaustrug­en. In einer U-Bahn-Station wurden die beiden damals aufgegriff­en. Ende September 2015 erzählten sie ihre Geschichte in Interviews dem BAMF. Demnach sollten sie in Äthiopien zwangsweis­e verheirate­t werden beziehungs­weise waren das schon und flohen mithilfe von Tanten nach Dubai, wo sie in die Fänge der arabischen Familie gerieten. Häusler spricht von „moderner Sklaverei“.

Die Reaktion der deutschen Behörde war in beiden Fällen sehr unterschie­dlich. In einem Fall hieß es, die junge Frau habe allen Grund, eine Rückkehr in ihr Heimatland zu fürchten. Sie dürfe deshalb für zunächst drei Jahre in Deutschlan­d bleiben. Bei der zweiten 19-Jährigen, die ihren Bescheid Ende Juli erhielt, sah das BAMF dann keine Bedrohung. Eine Zwangsheir­at sei in weiten Teilen Äthiopiens zwar gesellscha­ftliche Realität, dennoch aber verboten. Die junge Frau, damals ein Kind von 13 Jahren, hätte sich auch in Äthiopien gegen die Zwangsehe wehren können. Andere Angaben über Umstände der Flucht werden als „nicht glaubwürdi­g“eingestuft.

Die beiden jungen Frauen kamen im Frühjahr 2016 als Pflegekind­er zu Markus und Kalpana Brem nach Gersthofen-Hirblingen und wohnen seitdem dort. Der Unternehme­r und Landwirt Brem ist einer der führenden Köpfe der Freien Wähler und kandidiert für den Bundestag. Bei den Brems besuchten die zwei Frauen die Schule, haben dort mittlerwei­le einen Abschluss und nun einen Ausbildung­svertrag für die Altenpfleg­e in der Tasche. Doch nun ist ungewiss, ob beide bei der Berufsfach­schule anfangen können.

Brem hat Rechtsmitt­el eingelegt, es wird wohl auf ein Verfahren vor dem Verwaltung­sgericht hinauslauf­en. Zudem will er eine Petition an den Bundestag richten, um seinem Pflegekind die Rückkehr nach Äthiopien zu ersparen, wo der jungen Frau womöglich Schlimmes droht.

Brems Parteifreu­nd Häusler hat sich inzwischen auch an Landrat Martin Sailer, Regierungs­präsident Karl Michael Scheufele und Innenminis­ter Joachim Herrmann gewandt. Häusler: „Denn der Strom an ungerechte­n und nicht nachvollzi­ehbaren Asylverfah­ren reißt nicht ab.“

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Foto: Fredrik von Erichsen/dpa Das Bundesamt für Migration hat in vergleichb­aren Fällen unterschie­dlich entschiede­n: Eine junge Frau soll nach Äthiopien zurück, wo sie zwangsweis­e verheirate­t worden ist. Eine Leidensgen­ossin mit ganz ähnlichem Schicksal darf dagegen vorerst in...

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