Das Zentrum ihrer Welt
Seit 20 Jahren gibt es in Kriegshaber das r33. Für die Jugendlichen des Stadtteils ist es ein Ort zum Zurückziehen, zum Aufdrehen oder einfach nur zum Abhängen
Mara gewinnt. Und die nächste Partie „Uno“gewinnt sie auch. Zusammen mit sechs anderen sitzt sie im r33, dem Jugendzentrum von Kriegshaber, im Erdgeschoss und spielt Karten. Carlos glaubt, dass das nur an den schlecht gemischten Karten liegt. „Ich hab nur Zweien“, ruft er, und vor allem Majd bekommt sich vor Lachen kaum ein.
Die Rockensteinstraße 33 – seit 20 Jahren treffen sich an dieser Adresse in Kriegshaber Jugendliche. Hier haben sie Raum für sich. Die beiden pädagogischen Mitarbeiterinnen Jennifer Zimprich und Judith Erdle, zwei Frauen Mitte zwanzig, haben im Jugendzentrum das Sagen. Sind die Türen geöffnet, sind auch sie vor Ort. Wer hier Zeit verbringen will, muss erst an den beiden vorbei: „Wir erwarten, dass die Jugendlichen ,Hallo‘ sagen und uns die Hand geben“, sagt Zimprich. Verabschieden sei genauso wichtig. Da über den Tag verteilt durchschnittlich 60 Kinder und Jugendliche ins Jugendzentrum kommen, können sie nur so den Überblick behalten.
„Im Winter sind es immer mehr als im Sommer“, erzählt Erdle. Ist es draußen ungemütlich, kommen viele Jugendliche, um hier Kicker oder Tischtennis zu spielen, an der Spielkonsole zu zocken, im Mädchenzimmer zu entspannen oder sich im Lernzimmer auf Prüfungen vorzubereiten. Und „wenn sie Lust zu reden haben, kommen sie von ganz alleine auf uns zu“, sagt Zimprich. Geht es um Konflikte, Liebeskummer oder gar rechtliche Probleme, helfen sie, so gut es geht. „Man lernt auch irgendwann die Eltern kennen“, sagt Erdle. Erst am Vorabend zum Beispiel, da haben sie wieder zusammen gekocht. Bei „Cooking around the world“sollen die Jugendlichen über landestypische Gerichte die Kultur anderer Länder kennenlernen. Diesmal gab es ein irakisches Gericht, die Mutter eines Jugendlichen übernahm die Regie in der Küche.
Auch auf dem Augsburger Musik-Festival „Modular“war in diesem Jahr Kriegshaber besonders laut vertreten. Die Surf-Punk-Band „Desert Souls“wechselte von ihrem Proberaum im Jugendzentrum r33 auf die Bühne im Park. Wie die Jugendzentren in den anderen Stadtteilen, ist das r33 eine Einrichtung des Stadtjugendrings (SJR). Von al- len kulturellen Projekten des SJR seien die Jugendzentren ein wesentlicher Bestandteil, sagt Geschäftsführer Helmut Jesske. Im Idealfall kämen die Vorschläge für neue Aktionen von den Heranwachsenden selbst.
Für Jennifer Zimprich ist es die Bereitschaft der Jugendlichen, das r33 aktiv mitzugestalten, was ihr an ihrer Arbeit am besten gefällt. Sie läuft durch das bunt gestrichene Treppenhaus und zeigt auf die Fotos an den Wänden: „Sie kommen alle freiwillig und haben Lust drauf“, sagt sie. An den Wänden hängen Poster, auf jedem Bild mindestens vier Jugendliche. Der Clou: Sie alle halten einen Rahmen in der Hand mit dem Bild eines anderen darin – das Foto im Foto. Egal ob die Wände gestrichen werden oder zusammen gekocht wird, die Mädchen und Jungs verstehen sich selbstverständlich als Teil des Jugendzentrums.
Trotz der schlechten Karten ist Carlos bei „Uno“Zweiter geworden. Er und Ernst, beide 15 Jahre alt, kommen fast jeden Tag ins r33, seit Jahren sind sie Mitglieder der Gemeinschaft. „Man kann hier gut Zeit verbringen“, sagt Ernst. Es sei eine nette Umgebung mit netten Mitmenschen, die Betreuer seien natürlich auch toll. Zimprich und
Vom Proberaum auf die Bühne im Park
Den Jugendlichen ist das r33 wichtig – sie gestalten es mit
Erdle lachen. Sie stehen dabei, als sich andere Jugendliche auch einmischen und mit Lob für das Jugendzentrum und seine Menschen beinahe überschlagen. Alles freiwillig versteht sich.
Das r33 ist Anlaufstelle für Kinder ab neun Jahren, bis sie 27 sind, dürfen sie offiziell kommen. Sobald sie mit der Schule fertig sind, haben die wenigsten noch Zeit für das r33. In den Jahren davor aber, da ist es für viele das Zentrum ihrer Welt.
ist das Feuilleton regional jeden Dienstag von 14 bis 18 Uhr in der Ulmer Straße in Augsburg zu finden – direkt vor dem ehemaligen Straßenbahn Depot. Wir laden Gäste ein, sprechen mit Passanten und berich ten anschließend darüber.