Ein offenes Ohr und Blei an den Fingern
Wie Uschi Rieger Wehringen zu einem Schlachtruf verhalf und Bobingen aufleben sah
Ihr sei es immer wichtig, den Menschen darzustellen; sein Können, seine Talente, seine Besonderheiten und liebenswerte Eigenarten. Das sagt Uschi Rieger rückblickend auf ihre Arbeit als Lokaljournalistin. Sie habe dabei viel erlebt. Nun, mit 72 Jahren, beendet sie ihre Reporterlaufbahn. Die Zeit sei eine andere geworden, sagt sie. Ein großer Freundeskreis und ihre Enkelkinder sollen jetzt mehr als früher in den Genuss ihrer Zeit kommen. Vielleicht erzählt sie ihnen dabei von ihren vielen Erlebnissen.
Für den Journalismus entschied sich Uschi Rieger schon mit 19 Jahren, als sie das Elternhaus in Coburg verließ, um ein Volontariat beim Westfalen-Blatt in Bielefeld zu absolvieren. Die vergangenen 31 Jahre schrieb sie für unsere Zeitung, berichtete aus den Stauden ebenso wie aus Königsbrunn, vom Lechfeld oder aus Bobingen. Später schilderte sie vor allem menschliches Leben, so wie es sich bei Verhandlungen im Amtsgericht Schwabmünchen offenbarte. Auch hierbei ging es um Schicksale, menschliche Eigenarten aber auch um deren Auswüchse.
Gerade in den jüngsten Jahren wurde das Amtsgericht zum liebsten Recherchefeld für Uschi Rieger. So oft und regelmäßig lauschte sie in den Zuschauerbänken, dass sie für Mitglieder der Justiz schon bald zum Inventar gehörte. Sie solle ja mit umziehen, wurde ihr gesagt, als das Gericht von Schwabmünchen nach Augsburg verlegt wurde. Und selbst Angeklagten wurde Uschi Rieger zum Begriff. So rief ein ob seiner Eigenheiten immer wieder straffälliger Angeklagter eines morgens beim Erscheinen, angesichts der Damen vorne und hinten im Saal: „Heute habe ich ja meine Lieblingsrichterin, und meine Presse ist auch schon da.“
Das Zuhören, das Eingehen auf und das Nachzeichnen von Menschen und ihren Taten gehört zu den Aufgaben, die Uschi Rieger als Lokalreporterin besonders gerne erfüllte. Aber auch die vielen unterschiedlichen Themen, die auf Berichterstatter zukommen, gaben ihr viel. Etwa der Fasching in Wehringen.
Der erste Bunte Abend, über den sie berichten sollte, war ein Problem: „Ich verstand vieles nicht. Da haben sie mir die Büttenrede ins Hochdeutsche übersetzt und aufgeschrieben,“erzählt Uschi Rieger. Heute kann sie über ihre Hilflosigkeit lachen und sich noch immer über die Liebenswürdigkeit von „guten Menschen“freuen. Sie hat sich revanchiert. Beim Faschingsumzug war ihr aufgefallen, wie passiv die Zuschauer den Gaudiwurm an sich vorbeiziehen ließen, ganz anders als sie es aus dem Rheinland gewohnt war. So würzte sie ihren Bericht mit einem Schlachtruf: „Wehri-Wehro.“Der Ruf ist geblieben.
Wenn sie nun in ihrem Arbeitszimmer in Graben sitzt, in der Sammlung alter Berichte blättert oder Fotos betrachtet, fällt ihr noch etwas auf: „Die Entwicklung unsere Gemeinden ist schon beeindruckend.“Sehr stark falle ihr das in Bobingen auf. Viele Jahre hatte sie aus der Stadt berichtet. Vergleiche man die Eindrücke aus der Mitte der 1980er-Jahre mit heute, wirke das neue Ambiente erst richtig. Attraktiv nicht nur als Wohnort sei die Stadt, sondern beispielsweise auch aufgrund des Kulturlebens und anderer Freizeitangebote. Der Erhalt der Mittleren Mühle, der Bau der Singoldhalle und das Gemeinschaftserlebnis durch große Feste wie die Tausendjahrfeier seien Initialzündungen gewesen.
Ähnlich falle ihr auch am Lechfeld auf, dass der Wandel der Zeit Manches durchaus besser mache. Viel lebenswerter sei es hier geworden. DaGesprächspartner für müsse jedoch stets viel zusammenkommen. Kommunalpolitische Weichenstellungen und wirtschaftliche Entwicklungen seien wichtig, aber noch nicht genug, ohne den Einfluss der Menschen in den Vereinen und vielen kleinen Initiativen, sagt sie und offenbart: „Das Lechfeld ist meine Heimat geworden. Hier habe ich viel Zuwendung erfahren, habe gelernt mit den Traditionen zu leben und bin eingetaucht in die Werte des Miteinanders.“
Nicht immer spricht Uschi Rieger von sich in der Einzahl. Immer wieder sagt sie auch „wir“. Dann denkt sie an ihren verstorbenen Mann. 20 Jahre lang hatte sie Norbert Rieger von einer Station seiner Offizierslaufbahn zur nächsten begleitet. 1986 kamen sie ins Augsburger Land und fanden ihre endgültige Heimat. Er bekleidete einen hohen Posten an der Technischen Schule der Bundeswehr. Nach der Pensionierung ließ er sich von der Autorentätigkeit seiner Frau anstecken und schrieb für unsere Zeitung über Vorträge zu Sicherheitsund Verteidigungspolitik.
„Es waren gute Jahre“, sagt Uschi Rieger rückblickend. Zumindest als Leserin will sie der Redaktion treu bleiben. Denn, wie sagte ihr schon in den Zeiten des Bleisatzes vor 50 Jahren ein Kollege: „Wer einmal Blei an den Fingern hatte, der kommt nie von der Zeitung los.“