Bei 600000 Euro wird es nicht bleiben
Warum Andreas Scharf gegen den Kauf einer Drehleiter ist. So sieht Kommandant Andras Rudel die Personalsituation
Für die vier Gemeinden Graben, Klosterlechfeld, Untermeitingen und Obermeitingen wurde unter Mitwirkung der Führung der Feuerwehren der interkommunale Feuerwehrbedarfsplan erstellt. Dieser zeigt insbesondere den kurz- bis mittelfristigen materiellen und personellen Entwicklungsbedarf bis zum Jahr 2021 auf. Dieser Plan wird alle fünf Jahre überarbeitet, um aktuell zu bleiben.
Wird eine etwa 600 000 Euro teure Drehleiter benötigt oder nicht? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit die Gemeinderäte auf dem Lechfeld. Ein solches Feuerwehrfahrzeug ist nämlich dann notwendig, wenn ein zweiter Rettungsweg nicht baulicherseits vorhanden ist. Bei Gebäuden, die Aufenthaltsräume in einer Höhe von acht Metern oder höher haben, müsste dieser über eine Drehleiter sichergestellt sein. Und genau solch eine fehlt auf dem Lechfeld.
Für Graben besteht laut Bürgermeister Andreas Scharf derzeit kein Handlungsbedarf. Laut Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Graben, Andreas Rudel, gibt es in der Kommune aber nur ein Gebäude mit einer Brüstungshöhe von über acht Metern. „Aber da ist ein zweiter Rettungsweg schon vorhanden“, sagt Rudel. Laut Scharf ist es nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft deutlich mehr Gebäude eine Brüstungshöhe von acht Metern übersteigen. Freie Flächen werden immer knapper – und teurer. „Die Frage ist, ob wir in diese Bebauungshöhen einsteigen wollen“, sagt Scharf. Sollen mittelfristig also solch hohe drei- oder gar viergeschossige Gebäude erlaubt sein? Laut Scharf möchte sich der Gemeinderat auf einer Klausurtagung im nächsten Jahr mit diesem Thema beschäftigen.
Grabens Bürgermeister sieht derzeit keinen Sinn, sich an einer möglichen Drehleiter finanziell zu beteiligen, wenn sie in der Gemeinde gar nicht benötigt wird. Außerdem würde es seiner Meinung nach nicht bei den reinen Anschaffungskosten von etwa 600000 Euro bleiben. Da keines der vier Feuerwehrhäuser die notwendigen Kapazitäten hat, ein solches Fahrzeug unterzustellen, müsste auch in diesem Punkt nachgebessert werden. „Da wären wir mit dem Fahrzeug und dem notwendigen Gebäude ruckzuck bei 1,5 bis zwei Millionen Euro“, sagt Scharf.
Das vor 21 Jahren in Graben errichtete Feuerwehrhaus bietet Platz für drei Fahrzeuge. Diese sind durch die zwei vorhandenen Löschfahrzeuge sowie ein Mehrzweckfahrzeug belegt. Thomas Keller vom Ingenieurbüro für Brandschutztechnik und Gefahrenabwehrplanung (IBG) hat sich ein halbes Jahr lang mit der Situation der Feuerwehren auf dem Lechfeld beschäftigt. Er geht davon aus, dass das Gräbinger Gebäude eine weitere voraussichtliche Betriebsdauer von mindestens 15 Jahren hat.
Ein bestimmender Faktor für die Leistungsfähigkeit der Feuerwehren ist zudem die Personalstruktur und -qualifikation. Auf Basis des IBG-Berichts wurde die Mindestpersonalstärke in Graben auf 36 Personen festgelegt; derzeit gibt es in Graben laut Rudel 44 aktive Feuerwehrleute. Viele der Aktiven sind zwischen 45 und 50 Jahre alt. „Es fehlt eine ganze Generation zwischen 25 und 35 Jahren, woran auch immer das liegt“, sagt der Feuerwehrkommandant.
Klaus Brugmoser ist seit zwölf Jahren Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr in Graben, er sieht die Personalsituation, insbesondere in diesem Jahr, erfreulich. In den vergangenen Jahren seien immer ein oder zwei Jugendliche neu hinzugekommen. Doch zuletzt waren es gleich neun Neue. „Das ist eine gute Sache und ganz wichtig für den Verein“, sagt Brugmoser.
Laut Bayerischem Feuerwehrgesetz sollen die Freiwilligen Feuerwehren den Einsatzort innerhalb von zehn Minuten erreichen. Durchschnittlich dauert es 1.45 Minuten bis der Notruf bei der integrierten Leitstelle eingeht, aufgenommen und weitergeleitet wird. Die Ausrückzeit in Graben beträgt etwa 5.15 Minuten – so lange dauert es, bis die Aktiven das Feuerwehrhaus erreichen, sich umziehen und mit den Fahrzeugen das Gebäude verlassen. Damit bleiben als reine Fahrzeit nur noch drei Minuten übrig. „Es gibt jedoch Bereiche, die die Feuerwehr innerhalb von zehn Minuten nicht erreichen kann“, sagt Thomas Keller vom IBG – beispielsweise das Gräbinger Gewerbegebiet.
Besonderes Augenmerk beim vorbeugenden Brandschutz
Die Freiwillige Feuerwehr benötigt rund eine Minute länger, um dorthin zu gelangen. Deshalb wird im Gewerbegebiet ein besonderer Wert auf den vorbeugenden Brandschutz gelegt. Das bedeutet, dass es eine höhere Sprinkler- und Rauchmelderdichte gibt. Das Gewerbegebiet wird durch die Bundesfeuerwehr des Fliegerhorstes Lagerlechfeld innerhalb der zehn Minuten erreicht. Da diese aber keine anerkannte Werkfeuerwehr ist, fließt sie nicht in den IBG-Bericht mit ein. Rudel spricht von einer „politischen Geschichte“, sagt aber: „Wenn es einen Großschaden gibt, dann schickt die Bundeswehr wenn möglich auch einen Tankwagen.“
Eine Statistik, die sich im ersten Moment negativ anhört, ist der Zielerreichungsgrad. Dieser Wert gibt an, in wie viel Prozent aller Fälle die Feuerwehr die Hilfsfrist eingehalten hat. Im Fall Graben liegt dieser Wert im Zeitraum von 2009 bis 2016 bei nur 32 Prozent. Andreas Scharf hält von dieser Statistik allerdings wenig. Seiner Meinung nach ist es ein „Unding“, dass der fast zweiminütige Anruf bei der integrierten Leitstelle in die Zehn-Minuten-Frist miteinberechnet wird. Und noch ein weiterer Punkt müsse laut Scharf berücksichtigt werden. Die Feuerwehr wisse häufig, wenn ein Fehlalarm vorliege. „Da ist man tempomäßig natürlich anders unterwegs, als wenn wirklich Leib und Leben in Gefahr ist“, sagt der Bürgermeister.
Der Gemeinderat Graben hat den Feuerwehrbedarfsplan in seiner jüngsten Sitzung beschlossen.