Was ist das magische Licht im Wald?
Der Augsburger Ernst Jung will dem Leben der Nachtschmetterlinge mit einem Trick auf die Spur kommen
Nein, es ist kein Ufo gelandet. Auch wenn man bei einem Abendspaziergang durch den Siebentischwald diesen Eindruck haben kann. Im Dunkeln ist zwischen Bäumen ein fahles bläuliches Licht zu sehen, das an wechselnden Standorten leuchtet. Der schimmernde Kegel ist etwas größer als ein Mensch. Er wird umschwirrt von winzigen flatternden Wesen. Und das hat einen Grund: Das unbekannte fliegende Objekt ist bei näherem Hinsehen ein schwebendes Lichtfangnetz. In diesen Wochen kommt es im Dienst der Wissenschaft zum Einsatz.
Der Augsburger Schmetterlingsforscher Ernst Jung ist bis Ende Oktober mit dieser ungewöhnlichen Ausrüstung unterwegs. In windstillen Nächten ohne Mondschein packt er sein Lichtfangnetz und weitere Spezialausrüstung aufs Fahrrad und fährt damit in den Wald. Dort hängt er das Netz an einer langen Angel auf und schaltet eine Lampe mit UV-Licht ein. Dann dauert es normalerweise nicht mehr lange, bis Nachtfalter aus dem Dunkeln auftauchen. Die Schmetterlinge werden vom Licht magisch angezogen. Und darauf wartet Ernst Jung.
Der Schmetterlingsforscher ist im Naturwissenschaftlichen Verein für Schwaben aktiv. Seit rund 20 Jahren lässt er sich viele Tricks und Kniffe einfallen, um dem Leben der heimischen Nachtschmetterlinge auf die Spur zu kommen. Auch wenn im Dunkeln wesentlich mehr Falter herumschwirren als bei Tag, tut man sich schwer, die zarten Wesen zu entdecken.
Oft setzt Jung auf flüssige duftende Lockmittel. Denn Nachtfalter haben einen guten Geruchssinn und mögen schwere süße Gerüche. Aktuell ist der Hobbyforscher mit einer anderen Methode unterwegs – eben mit dem Lichtfangnetz. Damit fängt er die Nachtschmetterlinge vorübergehend ein, um sie zu fotografieren und zu dokumentieren. „Danach werden sie gleich wieder in die Freiheit entlassen“, versichert er. Jung ist bei seinen nächtlichen Ausflügen für die Forschung unterwegs. Derzeit kartiert er Nachtschmetterlingsarten im Naturschutzgebiet Siebentischwald. Dort hat er für sein Lichtfangnetz eine befristete Ausnahmegenehmigung der Regierung von Schwaben, außerdem eine Erlaubnis der städtischen Forstverwaltung. Bis Ende Oktober will Jung versuchen, möglichst viele heimische Arten zu dokumentieren.
Denn der Augsburger Stadtwald gilt noch immer als ein Schmetterlingsparadies, auch wenn Schmetterlinge insgesamt besonders stark vom Artensterben bedroht sind. In den vergangenen Jahren hat der Hobbyforscher allein in Augsburg 263 Nachtfalterarten gefunden. Nun ist er gespannt, welches Ergebnis die neue Kartierung bringen wird.
Seine Daten gibt Jung weiter ans Landesamt für Umwelt und an die Zoologische Staatssammlung in München, wo sie in einem größeren Zusammenhang ausgewertet werden. Ein wirksamer Schutz für Schmetterlinge sei enorm wichtig, sagt der Augsburger. Sie seien nicht nur faszierende Tiere, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der Natur und der Nahrungskette. Statistisch werden von 100 Schmetterlingseiern 98 aufgefressen. Nur zwei Falter kommen durch.