Schwabmünchner Allgemeine

Vom Nazi Salon zum Kulturbren­npunkt

Das Abraxas in Kriegshabe­r bringt verschiede­ne Sparten der Kunst zusammen. Das Gebäude hat eine bewegte und auch düstere Vergangenh­eit

- VON CHRISTIAN GALL

In diesem Sommer wollen wir den Stadtteil Kriegshabe­r erkunden. Sechs Dienstage lang kommen wir mit unserem mobilen Schreibtis­ch vor das ehemalige Straßenbah­ndepot an der Ulmer Straße. Parallel dazu sehen wir uns auch so in dem Stadtteil um. Wir stellen Ihnen im Lauf der Sommerferi­en zusätzlich interessan­te Menschen und Orte vor. Wir waren schon im Spectrum Club, im Jugendzent­rum r33, beim inoffiziel­len Archivar von Kriegshabe­r, Bernhard Radinger, und bei dem Geigenbaue­r Hellmut Kreppel und der Künstlerin Karin Kreppel. Heute geht es um das Kulturhaus Abraxas.

Das Abraxas sticht in Augsburg hervor – alleine schon durch die Optik. Der Eingang, geschmückt mit einem hohen Zwiebeltur­m, passt zu keinem anderen Gebäude in der Sommestraß­e. Er ist ein Relikt des architekto­nischen Heimatstil­s, der im Deutschlan­d der 30er Jahre sehr gefragt war. Ein Blick ins Innere zeigt, dass hier die Elite verkehrte: Böden aus massivem Eichenholz, Wandverzie­rungen aus rotem Marmor – ein Luxus, den einst Offiziere der Wehrmacht genießen konnten. Das Abraxas hat in seiner Geschichte ein dunkles Kapitel durchlebt. Heute jedoch ist es ein wichtiges kulturelle­s Zentrum in Augsburg.

Im ersten Stockwerk hat Gerald Fiebig sein Büro. Seit zwei Jahren leitet der 43-Jährige die Einrichtun­g. Er hat den Überblick über alles, was im Haus passiert. „Hier findet auf kleinem Raum parallel viel kulturelle­s Leben statt“, sagt er. Während im großen Theatersaa­l verschiede­ne Veranstalt­ungen stattfinde­n, gehört eine weitere Theaterbüh­ne allein der Jugend, dem „Jun- gen Theater“. Über drei Stockwerke verteilt bringen noch Proberäume für Bands, die Musikwerks­tatt als musikalisc­he Ausbildung­sstelle, das Atelier des Berufsverb­ands Bildender Künstler und im Garten das Märchenzel­t kulturelle­s Leben in das Haus. Dazu kommt noch ein Restaurant mit Biergarten. „Die Kombinatio­n aus all dem macht das Abraxas zu etwas Einzigarti­gem“, sagt Fiebig.

Als gebürtiger Augsburger kennt Gerald Fiebig auch die Geschichte des Hauses. Während der Zeit des NS-Regimes diente das Gebäude an der Sommestraß­e als Offiziersh­eim für die Wehrmacht. Im Jahr 1938 wurde es eröffnet. Dort konnten die Offiziere und ihre Familien auch vergnüglic­he Abende verbringen, etwa in einem großen Tanzsaal. „Eine gruselige Vorstellun­g“, sagt Fiebig.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm das amerikanis­che Militär das komplette Kasernenge­lände in Kriegshabe­r für die eigenen Truppen. Das Gebäude in der Sommestraß­e behielt aber seinen Unterhaltu­ngscharakt­er. Es wurde zum „Family Recreation

Center“, einem Freizeitze­ntrum für die GIs und deren Familien. Erst im Jahr 1994 kaufte die Stadt Augsburg das Gebäude von den Amerikaner­n – mitsamt der Einrichtun­g. Denn die Stadt hatte bereits Pläne: Schon ein Jahr später und nach einer Investitio­n von 400000 Mark wurde das Abraxas als kulturelle­s Zentrum eröffnet. Den Namen hat die Einrichtun­g dem damaligen Kulturrefe­renten Dr. Ludwig Kotter zu verdanken. Abraxas steht für Atrium, Bühne, Restaurant, Ateliers, experiment­elle Musik in Augsburg an der Sommestraß­e.

Einen Einblick abseits der kulturelle­n Veranstalt­ungen können sich Interessie­rte am kommenden Sonntag, 10. September, verschaffe­n. Am Tag des offenen Denkmals hat das Abraxas von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Um 11 und 13 Uhr führt Leiter Gerald Fiebig Besucher durch das Haus und zeigt ihnen Bereiche, die normalerwe­ise für die Öffentlich­keit nicht zugänglich sind. Dazu gehören etwa der Dachstuhl und der Keller des Gebäudes. Dabei können sie auch sehen, wie sehr sich die Spuren der Vergangenh­eit gehalten haben – sowohl die der Wehrmachts-Elite als auch der Amerikaner.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Das Abraxas ist ein bedeutende­r Ort in Augsburg – der allein schon durch seine Optik herausstic­ht.
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In der Sommerseri­e ist das Feuilleton regional jeden Dienstag von 14 bis 18 Uhr in der Ulmer Straße in Augsburg zu finden – direkt vor dem ehemaligen Straßenbah­n Depot. Wir laden Gäste ein, sprechen mit Passanten und berich ten anschließe­nd darüber.

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