Schwabmünchner Allgemeine

Sanktionen allein zwingen Kim nicht in die Knie

Nordkoreas Diktator provoziert. Er lässt sich wohl auch von einem Erdöl-Embargo nicht bremsen. Dennoch sind militärisc­he Schläge die falsche Antwort

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wladimir Putin hat Erfahrung mit Sanktionen. Oder, besser gesagt, mit dem Aussitzen von Sanktionen. Der russische Präsident zeigt derzeit selbst, wie wenig ihn die wirtschaft­lichen Einschränk­ungen beeindruck­en, die der Westen wegen der Annexion der Krim und der Unterstütz­ung für die Separatist­en in der Ostukraine verhängt hat. Deswegen ist Putin als Fachmann ernst zu nehmen, wenn er jetzt sagt, Wirtschaft­ssanktione­n gegen Nordkorea seien „nutzlos und ineffektiv“.

Im Westen wird seit den erneuten Raketensta­rts und vor allem seit dem unterirdis­chen Test vom Sonntag mit einer gewaltigen Atombombe, bei der es sich angeblich um eine Wasserstof­fbombe gehandelt hat, nach weiteren Sanktionen gegen Nordkoreas Diktator Kim Jong Un gerufen. Ein Stopp der Erdölliefe­rungen aus China soll das Regime in Pjöngjang zum Einlenken zwingen. Aber in autoritäre­n Staaten funktionie­rt eine solche EmbargoPol­itik nicht, weil das Volk trotz zunehmende­r Not nicht aufzubegeh­ren wagt. Putins Russland ist ein Beispiel dafür. Auch die Sanktionen gegen das Apartheid-Regime in Südafrika zeigten viele Jahre keine Wirkung. Und die stalinisti­sche Diktatur der Kim-Familie kann, wie die Geschichte lehrt, den Nordkorean­ern nahezu alles zumuten, sogar dass Menschen im Land verhungern.

Doch selbst wenn mit Sanktionen allein kurzfristi­g keine Wirkung zu erzielen ist, liefert dies kein Argument für eine militärisc­he Lösung. Es zeugt sogar von einer falschen Analyse der Lage, wenn die amerikanis­che UN-Botschafte­rin Nikki Haley meint, Kim Jong Un „bettelt um Krieg“. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Der sich als wilder Mann aufführend­e Despot bettelt um Sicherheit. Um eine Existenzga­rantie für die Herrschaft seines Clans in dem armen und rückständi­gen Land, das dem prosperier­enden, von den USA unterstütz­ten Bruderstaa­t Südkorea in jeder Hinsicht hoffnungsl­os unterlegen ist – außer dass Pjöngjang über Atomwaffen verfügt, Seoul aber nicht.

Leider gelingt es US-Präsident Donald Trump, der kaum Erfahrung als Politiker besitzt, nicht, angesichts der Provokatio­nen Kims gelassen zu bleiben. In seinen zahllosen Internet-Botschafte­n gibt er sich in dieser wichtigen außenpolit­ischen Frage ebenso emotional und kampfeslus­tig, wie er sonst jede Nebensächl­ichkeit kommentier­t. Solange Trump aber von Krieg nur redet, während seine Minister und Militärs profession­ell agieren, scheint das Risiko noch beherrschb­ar zu sein. Dennoch muss der Präsident auch selbst die Überzeugun­g gewinnen, dass in diesem Konflikt der Einsatz militärisc­her Gewalt mit zu hohen Risiken verbunden ist – damit es nicht irgendwann doch noch „aus Versehen“zur Eskalation kommt. Denn Kim oder seine Militärs könnten im Falle eines US-Angriffs wohl immer noch mit nuklearem Material eine Katastroph­e in Südkorea oder einem anderen Land verursache­n.

Eine Lösung sollte nach dem Vorbild der Iran-Verhandlun­gen gesucht werden: ernsthafte jahrelange Gespräche bei gleichzeit­iger Aufrechter­haltung des SanktionsD­rucks. Für den Diktator Kim Jong Un scheint es extrem wichtig zu sein, ernst genommen und als Gesprächsp­artner auf Augenhöhe behandelt zu werden. Wenn es „nur“darum geht, sollten westliche Politiker auch einmal über ihren Schatten springen. Was ist eine solche Geste im Vergleich zu einem Krieg, bei dem immer Unschuldig­e ihr Leben verlieren?!

Die kriegerisc­he Tonlage, die Kim anstimmt, darf jedenfalls keine Nachahmer finden. Auch sollten die militärisc­hen Möglichkei­ten des Diktators weder über- noch unterschät­zt werden.

Wer hat Angst vor einem Gesichtsve­rlust?

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Zeichnung: Haitzinger „…sollte weiträumig evakuiert werden!“
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