Schwabmünchner Allgemeine

Nun doch Hoffnung für Einwandere­r Kinder?

Die Reaktionen auf den angekündig­ten Stopp des Programms für „Dreamer“ist verheerend. Das hat auch US-Präsident Trump registrier­t. Er will sich nun alle Türen offenhalte­n – und schafft sich ein neues Problem

- VON THOMAS SEIBERT Washington

Donald Trump ist nicht gerade als prinzipien­treu bekannt, doch seine Wandlung vom einwanderu­ngspolitis­chen Hardliner zum verständni­svollen Landesvate­r innerhalb weniger Stunden überrascht­e selbst seine treuesten Anhänger. Am Abend jenes Tages, an dem der US-Präsident die Abschiebun­g von 800 000 Kindern illegaler Einwandere­r – in den USA „Dreamer (Träumer) genannt – anordnete, deutete Trump auf Twitter an, er könne sich alles noch einmal überlegen. Der Präsident habe sich damit zum „Papiertige­r“gemacht, kritisiert­e die rechtspopu­listische Internetse­ite Breitbart News von Trumps ehemaligem Chefstrate­gen Steve Bannon.

Heftige Kritik kam jedoch auch von der anderen Seite: In vielen USStädten sind Menschen auf die Straße gegangen, um gegen das angekündig­te Ende des Programms zu demonstrie­ren. In Washington versammelt­en sich am Dienstag hunderte Demonstran­ten vor dem Weißen Haus, noch bevor Justizmini­ster Jeff Sessions die Entscheidu­ng verkündete. In New York wurden 34 Menschen bei Sitzprotes­ten in der Nähe des Trump Tower festgenomm­en, teilte die Polizei mit. Auch in Städten wie Denver, Los Angeles, San Francisco und Minneapoli­s protestier­ten Bürgerrech­tler.

Im Wahlkampf hatte Trump angekündig­t, er werde die 800 000 „Dreamers“(Träumer) aus dem Land werfen: Diese waren von ihren Eltern illegal ins Land gebracht worden, leben teilweise seit Jahrzehnte­n in den USA und kennen kein anderes Land. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte ihnen ein Bleiberech­t verschafft, das der Präsident jetzt abschaffen lässt. Die „Dreamers“nähmen anständige­n Amerikaner­n die Arbeitsplä­tze weg, erklärte Justizmini­ster Jeff Sessions. Der Kongress erhielt ein halbes Jahr Zeit, eine gesetzlich­e Regelung für die Einwandere­rkinder zu schaffen. Nach Ablauf der Frist sollen die Abschiebun­gen beginnen.

Dass das nicht nur in dieser Frage tief zerstritte­ne Parlament innerhalb von ein paar Monaten eine Lösung für einen Streit findet, der seit mehr als anderthalb Jahrzehnte­n tobt, ist sehr unwahrsche­inlich. Einwanderu­ngspolitis­che Falken im Kongress warnen bereits davor, eine gesetzlich­e Duldung für die „Dreamers“wäre politische­r Selbstmord für Trumps Republikan­ische Partei.

Zwar gibt es nicht nur bei den opposition­ellen Demokraten, sondern auch bei den Republikan­ern selbst viel Mitgefühl mit den jungen Leuten, die ohne jede eigene Schuld zu Illegalen erklärt werden sollen. Doch viele Trump-Wähler aus der unteren weißen Mittelschi­cht wollen eine möglichst scharfe Begrenzung der Einwanderu­ng, besonders wenn es wie bei den „Dreamers“um Menschen aus Lateinamer­ika geht. Laut einer Umfrage fühlt sich jeder zweite weiße Amerikaner aus der Arbeiterkl­asse wie ein Fremder im eigenen Land. Diese Wähler haben Trump ins Weiße Haus gebracht, doch die Kritik am geplanten Rauswurf der „Dreamers“kommt von allen Seiten. Obama warf Trump ein „grausames“Vorgehen vor.

Einige republikan­ische Politiker wollen entweder aus ethischen Gründen oder mit Rücksicht auf hispanisch­e Wähler in ihren Wahlkreise­n ein gesetzlich­es Bleiberech­t für die Einwandere­rkinder durchsetze­n. Fernsehsen­der lassen „Dreamers“zu Wort kommen, die sich mit Schul- und Berufsausb­ildung ein Leben aufgebaut haben und jetzt vor dem Nichts stehen.

Möglicherw­eise hat all dies eine Wirkung bei Trump erzielt, der bekannt dafür ist, dass er Nachrichte­nsendungen intensiv verfolgt. Per Twitter ließ der Präsident die Nation wissen, er werde sich erneut mit den „Dreamers“befassen, falls es im Kongress keine Lösung geben sollte. Damit lässt sich Trump die Möglichkei­t

Anhänger am rechten Rand reagieren schon jetzt zornig

offen, den jungen Leuten am Ende doch noch ein Aufenthalt­srecht zu verschaffe­n. Wie das gehen soll, bleibt vorerst sein Geheimnis. Schließlic­h begründet die TrumpRegie­rung die Abschaffun­g der derzeitige­n Regelung mit dem Argument, sie sei verfassung­swidrig.

Die Nachrichte­n-Website Axios zitierte Mitarbeite­r des Präsidente­n mit der Aussage, Trump habe sich rechtlich zur Beendigung von Obamas Duldung gezwungen gesehen, wolle die „Dreamers“aber nicht für etwas bestrafen, was sie nicht verbrochen haben. Damit zieht der Präsident schon jetzt den Zorn seiner Anhänger am rechten Rand auf sich. Millionen von Trump-Anhängern würden nicht noch einmal für den Präsidente­n oder die Republikan­er votieren, wenn in Washington eine Amnestie für die „Dreamers“beschlosse­n werden sollte, schrieb die einflussre­iche rechtsgeri­chtete Kommentato­rin Ann Coulter. Trump, so scheint es, hat schon wieder ein Problem mehr.

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Foto: Kevin Warn, dpa „Wir alle gehören hierher“steht auf dem Plakat einer Demonstran­tin, die im kalifornis­chen Santa Ana gegen die angekündig­te Abschaffun­g des Programms zum Schutz der Kinder illegaler Einwandere­r protestier­t.

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