Schwabmünchner Allgemeine

Osten hinkt hinterher

Weshalb die Unterschie­de zwischen West und Ost noch immer groß sind

- VON PHILIPP KINNE Berlin

Knapp 28 Jahre nach dem Fall der Mauer liegt die Wirtschaft­skraft Ostdeutsch­lands stark unter der im Westen. Die bildhafte Vision der blühenden Landschaft­en zwischen Elbe und Oder bleibt wohl noch immer Zukunftsmu­sik. Das bestätigt der Bericht der Bundesregi­erung zum Stand der deutschen Einheit, den das Bundeskabi­nett am Mittwoch verabschie­det hat. Obwohl sich die Wirtschaft­sleistung der neuen Bundesländ­er seit der Wiedervere­inigung mehr als verdoppelt hat, liegt sie – gemessen am Bruttoinla­ndsprodukt – noch immer etwa 30 Prozent unter der im Westen.

Für die Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung, die Thüringeri­n Iris Gleicke (SPD), ist klar: „Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Regionen auf Dauer abgehängt werden.“Zwar möchte Gleicke keinesfall­s als „Jammerossi“wahrgenomm­en werden, doch dürfe es nicht sein, dass es Gegenden gibt, in denen es „weit und breit keinen Lebensmitt­elladen, keinen Kindergart­en, keinen Arzt und keine jungen Leute mehr gibt“.

Das Ziel der Bundesregi­erung ist klar: Zwischen West und Ost soll es keine strukturel­len Unterschie­de geben. Doch die Realität sieht anders aus. Die Arbeitslos­enquote liegt im Osten mit 8,5 Prozent rund drei bis vier Prozentpun­kte über der im Westen. Die Exportquot­e in der Gesamtwirt­schaft mit 24,8 Prozent knapp acht Prozentpun­kte unter der im Westen. Und das Nettoeinko­mmen eines Ostdeutsch­en liegt durchschni­ttlich mehrere tausend Euro unter dem eines Westdeutsc­hen.

Dass sich kein einziger Dax-Konzern in Ostdeutsch­land niederließ, ist nur ein Symptom von vielen. Ein besonders großes Problem im Osten bleibt der Rückgang der Bevölkerun­g. Seit 1990 ist die Zahl der Ostdeutsch­en um rund 15 Prozent auf 12,6 Millionen gesunken. Ohne die Gelder aus Finanzausg­leich und Solidarpak­t könnten viele Kommunen ihre Aufgaben nicht erfüllen. Ist die Angleichun­g zwischen Ost und West da überhaupt noch realistisc­h? Ja, meint Gleicke: „Ich gebe unser Ziel nicht auf.“Desillusio­niert sei sie als Ostdeutsch­e auch nach 27 Jahren im Bundestag nicht. Die wirtschaft­lichen Unterschie­de zwischen den vereinten Teilen Deutschlan­ds sind zwar noch immer groß, doch sie waren schon deutlich größer. Und auch die subjektive Lebenszufr­iedenheit in Ostdeutsch­land hat den höchstens Durchschni­ttswert seit der Wiedervere­inigung, heißt es im Bericht der Bundesregi­erung.

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