Wenn der Hahn kräht
...oder: die ungleichen Schwestern. Warum sich der Stadtmarkt nicht hinter dem Viktualienmarkt verstecken muss
der Münchner Viktualienmarkt. Viele Jahre schaute ich vom Wohnzimmerfenster aus direkt auf das muntere Treiben. Traumlage, aber auf Dauer auch etwas anstrengend. Denn das Tempo auf dem Viktualienmarkt ist ein anderes als auf dem Stadtmarkt. Von Gemächlichkeit keine Spur, wenn sich täglich Tausende von Touristen in Dreierreihen durch das Getümmel schieben. Exotische Früchte zu Fantasiepreisen, Saisongemüse das ganze Jahr verfügbar – alles hat seinen Preis. Da weicht der Ottonormalmünchner lieber auf den nächsten Supermarkt aus.
Volle Taschen dagegen auf dem Augsburger Stadtmarkt. Auf der Freifläche hinter der Fleischhalle verkaufen Bauern aus dem Umland ihre Waren. Alles selbst geerntet. Die Kunden sind seit Jahren bekannt. Von den Zwetschgen gestern waren drei matschig, gut, dann tu ich Ihnen heute fünf oben drauf. Einen selbst gebundenen Blumenstrauß für den Küchentisch dazu? Die Astern und Dahlien sind heute früh geschnitten. So geht Markt. Persönlich, frisch und freundlich. Und erschwinglich muss alles sein, sonst wird das nichts! Zurück zu unserem launigen Stadtmarkt-Maskottchen, dem grünen Hahn. Besonders gut sind seine Kapriolen von der Marktgaststätte aus zu bewundern, von der sonnigen Außenterrasse oder bei Wind und Wetter vom Restaurant in der ers- ten Etage. Einer meiner Lieblingsplätze in Augsburg übrigens, rustikales Mobiliar, große Fenster zum Markt hinaus und der wunderbare Charme der sechziger Jahre, authentischer geht es nicht. Hier treffen sich die Markt’ler und machen ihre Pausen, debattieren über Wetter und Geschäfte und die Lage der Nation. Bei einem Bier, das – na ja – eine traditionsreiche Münchner Brauerei liefert. Aber nichts ist vollkommen und kleine Schönheitsfehler sind erlaubt, gerade die machen den Augsburger Stadtmarkt so sympathisch und lassen ihn jedem Vergleich mit der größeren Schwester in der Landeshauptstadt mit Bravour standhalten!