Schwabmünchner Allgemeine

Rentner landet wegen Volksverhe­tzung vor Gericht

73-Jähriger aus dem Landkreis versieht Gewaltbild­er mit Kommentare­n und verbreitet sie im Internet

- VON MAXIMILIAN CZYSZ Landkreis Augsburg

Meinungsfr­eiheit hat auch Grenzen: Die sind erreicht, wenn Menschen beleidigt, verleumdet oder in ihrer Würde angegriffe­n werden. Oder wenn zu Hass und Gewalt angestache­lt wird. Darunter fallen die Bilder und Kommentare, die ein 73-Jähriger zu Jahresanfa­ng im Internet verbreitet hat. Der Mann veröffentl­ichte in seinem frei zugänglich­en TwitterAcc­ount unter anderem eine Bilddatei, auf der ein offenbar arabischst­ämmiger Mann mit fünf abgeschlag­enen Köpfen dargestell­t wird. Dazu war der Kommentar zu lesen: „Der nette Moslem von nebenan.“

In drei weiteren Beiträgen machte der Rentner drastisch in Wort und Bild deutlich, was er von Flüchtling­en hält. Eine Bildreihe mit einem Schwarzafr­ikaner und Bundeskanz­lerin Merkel sollte die Entwicklun­g der Menschheit darstellen. Im Februar stellte der Mann ein Bild ein, das ein Mädchen mit seiner Mutter zeigte: Sie waren Opfer einer Säureattac­ke geworden. Für den Mann war der Islam schuld daran. Auch der Kommentar zu einem weiteren Bild zielte in diese Richtung: Es zeigte einen Bärtigen mit acht abgeschlag­enen Köpfen. Der 73-Jährige schrieb: „Sie werden uns töten. Die letzten dummen Menschen werden es noch zu spüren bekommen.“

Vor Gericht räumte der 73-Jährige ein, dass er die Bilder verbreitet hatte und Urheber der Kommentare auf seinem Twitter-Account war. Richterin Rita Greser bezeichnet­e das Bild von den Opfern der Säureattac­ke als „übel“: Mit dem Kommentar würden alle Muslime verunglimp­ft. Andere Menschen würden pauschal beschuldig­t, sagte die Richterin, die eine Diskussion über das Thema nicht aufkommen ließ. Sie merkte an: „Man kann doch nicht alle über einen Kamm scheren.“Und: „Stellen Sie sich vor, das würde jeder machen: Da wird Hass im Land geschürt.“

Der Angeklagte sagte, dass er schon oft ähnliche Bilder gesehen habe. „Das ist ja fast normal.“Er lese viel, vielleicht sei das auch der Grund, warum er so negativ eingestell­t sei. Er habe aber nicht gewusst, dass seine Darstellun­gen verboten seien. Gewalt gebe es doch auch im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen. Richterin Greser sagte, dass es einen Unterschie­d zwischen der Berichters­tattung der Presse gibt und dem Otto Normalverb­raucher, der Bilder und Kommentare im Internet verbreitet. „Man kann doch nicht alles Mögliche ins Netz stellen und dann behaupten, man habe es nicht gewusst.“

Tief ins Bewusstsei­n gedrungen sein dürften dem 73-Jährigen seine Tweets, als morgens sieben Beamte der Polizei zur Durchsuchu­ng vor seiner Tür standen. Sie rückten aus, weil im Präsidium Schwaben Nord ein anonymer Hinweis eingegange­n war. Unter anderem wurden das Handy, ein Netbook, ein PC und ein Tablet sichergest­ellt. Weil unklar ist, welches Gerät für die Straftaten benutzt wurde und als „Tatwerkzeu­g“eingezogen werden kann, wurde die Hauptverha­ndlung gestern ausgesetzt. Ein Urteil steht noch aus. Die Staatsanwä­ltin Gudrun Wagner hatte dafür plädiert, Smartphone und Netbook einzuziehe­n und den Rentner wegen Gewaltdars­tellung und Volksverhe­tzung zu einer Geldstrafe von 3600 Euro zu verurteile­n.

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