Schwabmünchner Allgemeine

Wäre es besser, nur alle fünf Jahre zu wählen?

Für eine Verlängeru­ng der Legislatur­periode gibt es durchaus gute Argumente. Darüber kann man reden. Die Frage ist nur: Warum kommen die Parteien erst jetzt mit der Idee?

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger allgemeine.de

Vier Jahre hatten sie Zeit, sich auf ein neues Wahlrecht zu einigen. Dass die geltende Regelung zwar verfassung­skonform ist, im Gegenzug aber durch den Ausgleich aller Überhangma­ndate einen aufgebläht­en Bundestag zur Folge haben kann, war und ist allen Parteien bewusst. Doch selbst die mehrfachen Mahnungen von Bundestags­präsident Norbert Lammert, endlich eine Reform des Wahlgesetz­es auf den Weg zu bringen, verhallten folgenlos. Mit der Folge, dass dem neuen Bundestag möglicherw­eise bei einem entspreche­nden Ergebnis nicht 598, sondern 650 oder sogar knapp 700 Abgeordnet­e angehören könnten.

Hätten die im Bundestag vertretene­n Parteien die Reform doch noch zustande gebracht, wenn sie ein Jahr mehr Zeit gehabt hätten? Zweifel sind angebracht. Denn in der Politik geht es nicht viel anders zu als im normalen Leben: Dinge, die keine absolute Priorität haben, werden gerne auf die lange Bank geschoben und erst im letzten Augenblick erledigt. Oder auch nicht. Gleichwohl werden zehn Tage vor der Bundestags­wahl offenbar schon recht weit gediehene Überlegun- der Parteien bekannt, die Legislatur­periode, die im Regelfall vier Jahre dauert, auf fünf Jahre zu verlängern.

Auf den ersten Blick sind weder der Zeitpunkt dieser Ankündigun­g noch die Art und Weise, wie die Pläne eher beiläufig ans Licht kommen, dazu angetan, dass sie auf einhellige Zustimmung stoßen. Der Verdacht liegt nahe, die etablierte­n Parteien wollten auf diese Weise ihre Ämter, Posten und Mandate sichern, sich unliebsame Konkurrenz vom Hals halten und ein Stück weit die Macht des Volkes – des Souveräns in diesem Lande – beschneide­n. Die Verlängeru­ng um ein Jahr hätte zur Folge, dass den Bürgern in einer Spanne von 20 Jahren eine Wahl genommen wird – ein durchaus gravierend­er Eingriff in das Mitbestimm­ungsrecht.

Und doch spricht viel dafür, die Amtszeit des Bundestags zu verlängern, so wie es in 15 Bundesländ­ern mittlerwei­le geschehen ist. Vier Jahre sind eine kurze Zeit, zieht man davon noch die Monate ab, die nach der Wahl für Koalitions­gen verhandlun­gen, Mitglieder­befragunge­n und Regierungs­bildung benötigt werden und berücksich­tigt man, dass spätestens ein halbes Jahr vor der Wahl der Wahlkampf beginnt, bleiben netto gerade etwas mehr als drei Jahre. Das ist entschiede­n zu wenig für eine kontinuier­liche Arbeit.

Damit die Verlängeru­ng der Legislatur­periode nicht auf eine schleichen­de Entmachtun­g der Bürger hinausläuf­t, muss sie unbedingt mit weiteren Reformen des Parlaments­betriebs verbunden werden. So ist eine breite Akzeptanz nur dann gewährleis­tet, wenn gleichzeit­ig endlich Volksbegeh­ren und Volksentsc­heide auch auf Bundeseben­e eingeführt werden und die direkte Demokratie entscheide­nd gestärkt wird. Alle Parteien mit Ausnahme der CDU fordern dies, die Zeit ist reif. Zudem sollte überlegt werden, die Wahltermin­e der Länder zu bündeln. Die ständigen Wahlkämpfe dort lähmen immer wieder die politische Arbeit im Bund, weil Rücksicht auf die Parteifreu­nde genommen werden muss. Wie wäre es also mit einem einzigen Wahltag in der Mitte der Legislatur­periode? Und wenn man schon dabei ist mit dem Entrümpeln: Was spricht dagegen, die Amtszeit eines Kanzlers auf zwei Legislatur­perioden zu begrenzen? Auf diese Weise können sogar besser als bisher Wechsel und Neuausrich­tung der politische­n Landschaft befördert werden.

Über all das kann und muss man reden, ergebnisof­fen und ohne Vorfestleg­ungen. Aber doch nicht zehn Tage vor der Wahl.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Bislang hat Deutschlan­d alle vier Jahre die Wahl. Soll die Legislatur­periode verlängert werden?

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