Schwabmünchner Allgemeine

Wettlauf um Air Berlin

Auch Formel-1-Star Niki Lauda will Maschinen der insolvente­n Linie kaufen. Bald müssen Entscheidu­ngen fallen

- Berlin Burkhard Fraune und Christian Ebner, dpa

Hat Air Berlin noch eine Zukunft? Es ist die große Frage, die sich nicht nur Passagiere stellen. Air Berlin stellt sie selbst auf der Internetse­ite. Antwort: Die Verkaufsve­rhandlunge­n seien Erfolg verspreche­nd und könnten „zeitnah finalisier­t“werden. Den Text lesen Kunden seit Tagen – unveränder­t. Doch die jüngste Kampfansag­e der Piloten zeigt: Ein reibungslo­ser Verkauf ist alles andere als sicher. Und an diesem Freitag endet die Bieterfris­t.

Wer will Air Berlin kaufen?

Es gibt eine Reihe von Interessen­ten für die Airline, die seit Jahren rote Zahlen schreibt, aber begehrte Start- und Landerecht­e hält. Die meisten haben sich nach dem Insolvenza­ntrag vor vier Wochen gemeldet. Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann hatte jedoch schon im Frühjahr die Partnersuc­he ausgerufen, mindestens seitdem gibt es Gespräche mit der Lufthansa. Der deutsche Marktführe­r könnte rund 90 der 144 Flugzeuge übernehmen. Verhandelt wird laut Air Berlin mit drei weiteren Airlines. Beobachter nennen unter anderem Easyjet. Auch Condor zieht gemeinsam mit Niki Lauda, dem Ex-Formel-1-Star, ins Rennen. Er ist Gründer und war lange Eigentümer der Air-Berlin-Tochter Niki. Lauda und Condor wollen Berichten zufolge für 38 Maschinen ein Angebot abgeben. Lauda bezifferte es auf 100 Millionen Euro. Interesse angemeldet haben auch der Nürnberger Unternehme­r Hans Rudolf Wöhrl und Ex-EnBW-Chef Utz Claassen. In Berlin hoben eine Spedition und ein Hotelier die Hand. Als Letzter brachte sich der chinesisch­e Betreiber des Flugplatze­s Parchim ins Gespräch.

Welche Teile wollen die Investoren?

Etwa die nicht insolvente Tochter Niki, für die Lufthansa schon ein konkretes Angebot abgegeben hat. Die Lufthansa-Tochter Eurowings sucht bereits Piloten, Co-Piloten sowie Flugbeglei­ter für zusätzlich­e Flugzeuge. Auch an Langstreck­enflugzeug­en hat Lufthansa Interesse. 14 ältere Boeing-Jets, die Air Berlin zu hohen Kosten von Tuifly gemietet hat, könnten an den Touristikf­lieger des Tui-Konzerns zurückfall­en. Auch ältere Propeller-Maschinen der Air-Berlin-Tochter LGW stoßen angeblich auf wenig Interesse.

Wie sieht der weitere Zeitplan aus?

„Wir streben eine Lösung im Gläubigera­usschuss am 21. September an“, bekräftigt­e Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann trotz der jüngsten Chaostage. Der Berliner

Tagesspieg­el berichtet dagegen, die Gläubiger wollen erst am 25. September entscheide­n. Die Zeit jedenfalls drängt. Zwar gibt es einen 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes, der bis Ende November reichen soll. Doch nach den zahlreiche­n Flugausfäl­len wegen einer Krankheits­welle der Piloten in dieser Woche dürften noch weniger Kunden Flüge buchen.

Was wollen die Gewerkscha­ften bei Air Berlin erreichen?

Bislang scheint es sehr wahrschein­lich, dass ein großer Teil des fliegenden Personals bei neuen Arbeitgebe­rn unterkomme­n kann. Umstritten sind aber die künftigen Bedingunge­n. Einige Berufsgrup­pen fürchten Einkommens­verluste von bis zu 50 Prozent. Verdi und die Vereinigun­g Cockpit wollen verhindern, dass sich jeder beim neuen Arbeitgebe­r bewerben muss. Teure, alte oder aufmüpfige Kräfte – so ihre Furcht – könnten aussortier­t werden. „Jeder über 50 macht sich Sorgen“, sagt ein Air-Berlin-Pilot. Die Gewerkscha­ften kritisiere­n, die potenziell­en Käufer interessie­rten sich nur für das Blech, nicht für die Leute. Mehr als 8000 Air-Berlin-Beschäftig­te bangen. Lufthansa-Konzernche­f Carsten Spohr hat den AirBerline­rn zwar versproche­n, ihre Berufserfa­hrung zu berücksich­tigen, ansonsten aber den Tarifvertr­ag der Billigtoch­ter Eurowings anzuwenden.

Steckt hinter der Krankheits­welle ein illegaler Streik?

Einiges spricht dafür, dass die Flugausfäl­le eine gezielte Aktion der Piloten waren. Der Tarifexper­te Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft ist davon überzeugt. Ähnliches hat es vor einem Jahr beim Ferienflie­ger Tuifly gegeben, der in einer Gemeinscha­ftsfirma mit Etihad und Niki aufgehen sollte. Tuifly gab damals klein bei.

Hat das keine Folgen für die Beteiligte­n?

Zu beweisen ist ein Streik mithilfe von Krankenzet­teln nur sehr schwer, sofern nicht ein schriftlic­her Aufruf entdeckt wird – der „rauchende Colt“. Schließlic­h billigen Arbeitsger­ichte ärztlichen Attesten regelmäßig eine hohe Beweiskraf­t zu. Und welcher Arzt mag einen Piloten flugfähig schreiben, der Unwohlsein äußert?

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Foto: Joe Klamar, afp Rennstar Niki Lauda ist im Rennen um Air Berlin dabei.

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