Schwabmünchner Allgemeine

„Das wars. Ich heirate.“

Die 27-jährige Steffi und der 29-jährige Rafael feiern in Augsburg ihre Junggesell­enabschied­e. Warum vor allem die Maxstraße immer wieder ein beliebtes Ziel von sogenannte­n JGA ist

- VON INA KRESSE

Rafael hat schon wieder Horst verloren. Horst ist das Einhorn aus Plüsch, auf das der 29-Jährige aufpassen soll. Nun hat einer seiner Freunde ihm das Tierchen wieder weggenomme­n. Gelächter in der Clique. Rafael muss zur Strafe eine nächste Aufgabe erfüllen. Für den Bräutigam heißt es, Augen zu und durch. Es ist schließlic­h sein Junggesell­enabschied. Da macht man Blödsinn mit. Es ist einer von vielen sogenannte­n „JGA“, die in der Innenstadt gefeiert werden. Vor allem in der Maximilian­straße.

Fast könnte man meinen, das Leben endet am Tag der Hochzeit. Aus und vorbei. Nie wieder Spaß. „Das wars. Ich heirate. Möge die Macht mit mir sein“, ist auf dem Shirt von Rafael in Anlehnung an die Filmreihe „Star Wars“zu lesen. „Game over“steht auf dem T-Shirt, das Steffi in die Höhe hält. Das Spiel ist vorbei. Auch die 27-Jährige ist in der Maxstraße auf JGA-Tour. 20 in bester Stimmung. Alle mit einer türkisfarb­enen Schärpe um die schwarzen Shirts versehen, auf der „Team Braut“steht. Steffi sticht mit ihrem weißen Oberteil und dem kleinen, weißen Schleier an ihrem Dutt heraus. Die meisten kommen aus dem Umland. Steffi, die aus Gundremmin­gen stammt, ist selten in Augsburg. Umso mehr genießt sie den Abend. Trauzeugin Eva hat ihren JGA organisier­t.

„In einer größeren Stadt macht das mehr Spaß“, findet Eva. „Man hat mehr Möglichkei­ten.“Zunächst war die Horde Frauen beim Lasertag-Spiele, jetzt sitzen sie zum Essen im Mexikaner „Sausalitos“. Wegen der Bar- und Klubdichte ist die Maxstraße ein beliebtes Ziel der feiernden Trupps. Vor allem im Sommer. Passanten oder Kneipengäs­te werden da oftmals angesproch­en. Sei es, um Kondome oder Schnaps aus einem der Bauchladen zu kaufen, oder bei einem Spiel mitzumache­n. In Regensburg, das berühmt für seine vielen Kneipen ist, haben Wirte die Nase voll von JGA, bei denen manche Teilnehmer oftmals betrunken sind und offenbar auch für Ärger sorgten. Dort schlossen sich in diesem Jahr 15 Altstadtga­stronomen zusammen, um Junggesell­enabschied­e zu verbieten.

In Augsburg ist entweder die Toleranzgr­enze höher, oder es wird nicht gar so wild gefeiert. Zumindest scheint es kein Problem zu geben. „Bei uns sind am Wochenende immer wieder JGA in der Innenstadt zu beobachten“, sagt Ordnungsre­ferent Dirk Wurm. Aber bislang sei keine Ordnungswi­drigkeit registrier­t worden. „Sie sind zwar immer wieder ein Thema. Aber wir befassen uns mehr mit den Hochzeitsk­orsi und den damit einhergehe­nden Beschwerde­n.“Doch selbst da sei es in diesem Jahr ruhig. In einigen Kneipen in der Maxstraße zeigt man sich gegenüber Junggesell­enabschied­en aufgeschlo­ssen. Im Sausalitos, wo heute Steffi und ihre Freundinne­n feiern, sind JGA sogar gerne gesehen. Und oft. „An einem SamsFreund­innen tagabend haben wir schon bis zu sechs Feiern bei uns“, erzählt Barchef Joy Kukraja. Die meisten Gäste seien spendabel und gäben gutes Trinkgeld. Hin und wieder machen die Barkeeper auch mit. „Wenn Frauen die Aufgabe haben, mit einem Mann zu tanzen, kommen sie halt als erstes zu uns an die Bar.“

Auch in der Mahagoni Bar, im Bob’s und im Peaches ist man offen für die Truppen in den meist einheitlic­hen Shirts. „Wenn sie anfangen zu singen, überträgt sich die gute Laune auf die anderen Gäste“, weiß Christoph Leubner vom Bob’s. In einer nächsten Bar hält sich die Begeisteru­ng allerdings in Grenzen. „Was ich zu Junggesell­enabschied­en meine? Da habe ich nur ein müdes Lächeln übrig“, sagt ein Barkeeper, der anonym bleiben will. Er jedenfalls habe Verständni­s, wenn diese Feiern andernorts verboten werden. „Es ist oft schon anstrengen­d mit den Sonderwüns­chen“, sagt er. „Aber wir sind halt auch auf den Umsatz angewiesen.“So viel Umdie satz werden die Wirte mit dem Augsburger Rafael und seiner Clique an diesem Abend nicht machen.

In einer Plastiktas­che haben die Freunde ihre eigene kleine Bar dabei: Becher, Wasser, Schnaps und eine Hugo-Fertigmisc­hung. Gemeinsam stoßen sie mit Rafael am Herkulesbr­unnen an. Die Stimmung ist ausgelasse­n. „Prinzessin“nennen die Freunde ihn. Der 29-Jährige trägt ein glitzernde­s Diadem mit rosa Steinen. „Mein Bräutigam ist ein Mann“, erklärt Rafael.

Die Freunde haben kein Erbarmen mit ihm. Schließlic­h hat er sich von ihnen wieder Plüschtier Horst klauen lassen und muss damit eine nächste Aufgabe erfüllen: Den Taxifahrer vor dem „Drei Mohren“fragen, ob er ihn einmal um den Brunnen fährt. Rafael, mit dem Krönchen auf dem Kopf und dem Einhorn im Arm, fragt tapfer nach. Der Taxifahrer hat keine Lust. Rafael akzeptiert die Abfuhr. Die nächste Aufgabe kommt bestimmt. Wenn Horst wieder weg ist.

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