Schwabmünchner Allgemeine

Haftstrafe für unehrliche­n Finder

Ein Mann entdeckt im Geldautoma­t mehrere hundert Euro und steckt sie einfach ein. Jetzt droht ihm das Gefängnis

- MICHAEL SIEGEL

Stellen Sie sich vor, Sie heben am Geldautoma­ten 30 Euro ab, die Maschine zahlt Ihnen aber 530 Euro aus. Was machen Sie? Ein 22-jähriger Augsburger behielt den gesamten Betrag für sich, was ihn jetzt vors Gericht brachte. Die Richterin verhängt gegen ihn sogar eine Gefängniss­trafe.

Der Fall spielt sich am 3. Januar ab, gegen 11.50 Uhr: Der Angeklagte, ein derzeit beschäftig­ungsloser Monteur, will an einem Geldautoma­ten in der Wertachstr­aße 30 Euro abheben. Als sich der Ausgabesch­acht öffnet, liegt neben seinen 30 Euro auch noch ein 500-Euro-Schein. Der Angeklagte nimmt den Gesamtbetr­ag an sich. Das bemerken zwei Männer, die den 500-Euro-Schein gerade zuvor eingezahlt hatten. Sie sprechen den 22-Jährigen an, die Angelegenh­eit klären zu lassen, aber der Mann lehnt ab und verschwind­et mit dem Geld, das er anschließe­nd ausgibt.

Weil der Angeklagte die Tatvorwürf­e der Staatsanwa­ltschaft gesteht, verzichtet Richterin Kerstin Wagner auf die Vernehmung der Zeugen und auf eine ausführlic­here Beweisaufn­ahme. Schwierige­r ist die Frage der Bestrafung: Nicht weniger als acht Einträge hat der Mann bereits im Strafregis­ter stehen. Darunter, so bemerkt es die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft, fünf Fälle, in denen es ebenfalls um Eigentumsd­elikte ging. Und: Der 22-Jährige steht mit einer 16-Monatsselb­stständige­r Haftstrafe unter offener Bewährung, für die ein Antrag auf Widerruf der Bewährung vorliegt, weil der Angeklagte mit Terminen „geschluder­t“habe.

Der Verteidige­r Ralf Schönauer schlägt vor, angesichts des sich abzeichnen­den Unheils das Unterschla­gungsverfa­hren einzustell­en. Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft geht darauf nicht ein und fordert für den Angeklagte­n eine sechsmonat­ige Haftstrafe. Verteidige­r Schönauer sieht eine Geldstrafe als ausreichen­d an. Richterin Wagner spricht in ihrem Urteil schließlic­h eine Haftstrafe von drei Monaten wegen Unterschla­gung aus, das sei angesichts der Umstände an der unteren Grenze des Möglichen. Zudem sollen die unterschla­genen 500 Euro eingezogen werden. Die Strafe erneut zur Bewährung auszusetze­n, ergebe nach den Worten der Richterin wenig Sinn, wie sich gezeigt habe. Sollte das Urteil rechtskräf­tig werden, wird der Angeklagte wohl seine Strafen absitzen müssen.

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