Raue Sitten auf dem Land
Reinhold Eckl ist in Kreuzanger geboren, seine Frau ist „eingekauft“. Er spricht von einem handfesten Schulunterricht, dem Radegundisfest und warum die Eingemeindung nach Bobingen ein Segen sei / Serie (3)
Von Reinhartshausen aus geht es erst einmal ein paar Kilometer durch den Wald. Dann einen steilen Abstieg hinunter ins Tal der Schwarzach. Dort angekommen ist man am Ziel: Kreuzanger. Malerisch entlang des Bachlaufes leben hier etwa 150 Einwohner. Zwei von ihnen sind Reinhold Eckl und seine Frau Elfriede. Er ist in Kreuzanger geboren, seine Frau hat er „eingekauft“wie er es scherzhaft nennt, in Biberbach bei Meitingen.
„Ich war fast eine Feldgeburt“, erzählt Reinhold Eckl. Seine Mutter, die als Waldarbeiterin in Diensten des Grafen Rechberg in Mickhausen stand, arbeitete bis zur letzten Minute. „Bei der Geburt war sogar eine Hebamme dabei, dann wurde das Bett neu überzogen und meine Mutter ging wieder zur Arbeit.“
Das Jahr seiner Geburt, 1953, wird zwar eher in unsere moderne Zeit gerechnet, aber auf dem Land seien die Sitten halt rauer gewesen. Er kann sich noch gut daran erinnern, wie die Mutter damals mit dem Ochsenkarren in den Wald gefahren ist. Während des Krieges wurde sie mit ihrem schwerfälligen Gespann sogar von amerikanischen Tieffliegern beschossen. Aber da hat wohl die heilige Radegundis aufgepasst, dass nichts passiert ist.
In Kreuzanger, wo alljährlich auch das Fest der Radegundis gefeiert wird, ist die Heilige allgegenwärtig. Nicht nur, dass ihr Bild als Lüftlmalerei auf der Hauswand von Reinhold Eckl zu sehen ist, sondern auch, weil der Pilgerweg zur heiligen Radegundis in Waldberg direkt an seinem Haus vorbeiführt. Wie auf Bestellung kommt auch heute eine zwölfköpfige Wallfahrergruppe vorbei und wird freundlich begrüßt. „Jedes Jahr zum Radegundisfest mussten wir Schüler statt in die Schule zu gehen, auf den Friedhof zum Gräseln“, erinnert sich Reinhold Eckl. Er weiß auch noch, dass sie vom Pfarrer für das Unkraut jä- ten immer ein paar Zitronenbonbons als Lohn für die getane Arbeit erhalten haben.
In die Schule sind sie in Waldberg gegangen. Dort gab es nur zwei Klassenräume. So wurde die erste bis vierte Klasse zusammen in einem Raum unterrichtet, im zweiten Raum waren die Klassen fünf bis acht untergebracht. „Der Unterricht war bisweilen recht handfest“sagt Reinhold Eckl. „Die Lehrer waren damals nicht zimperlich und so kam es öfter mal zu einer Watsch’n.“Aber geschadet hat es ihnen dann doch nicht, da ist er sich im Nachhinein sicher. Denn so gänzlich unverdient war es seiner Meinung nach ja auch nicht immer.
Er erinnert sich daran, dass lediglich ein einziger seiner Schulkame- ein Fahrrad hatte. „Dem haben wir dann alle unsere Schulranzen aufgeladen. Das machte den Schulweg leichter.“Später hat er eine Lehre in Bobingen gemacht. Da hat ihn der Vater, der ebenfalls in Bobingen arbeitete, schon mit dem Auto gefahren. Die Eingemeindung zu Bobingen sei ein Segen für Kreuzanger gewesen, sagt Reinhold Eckl. Das habe ihnen die Kanalisierung und den Wasseranschluss gebracht. Vorher, so erinnert er sich, hatten sie einen hauseigenen Brunnen. Bei starkem Regen sei die Güllegrube vom Oberen Bauern öfters übergelaufen und sie hatten dann die Brühe im Brunnen. „Der war deshalb oft tagelang nicht zu gebrauchen.“
Die Dorftraditionen haben ihm schließlich auch geholfen, seine Frau Elfriede kennenzulernen. Denn es war beim Radegundisfest auf dem Tanzboden, wo sie sich das erste Mal getroffen haben. Und so siedelte sie der Liebe wegen nach Kreuzanger über. „Am Anfang haben mir die Tiere etwas gefehlt, da ich ja aus einer Landwirtschaft komme“, berichtet sie. Aber sie sagt auch, dass sie sich schnell eingelebt und es nie bereut habe, nach Kreuzanger gekommen zu sein.
Dabei hätten ihr auch die Vereinstraditionen geholfen. In Kreuzanger halten sie die alten Traditionen noch hoch. Die Freiwillige Feuerwehr wurde zwar in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgelöst, aber das Feuerwehrhaus pflegen sie weiter. Es beinhaltet heute eine Art kleines Feuerwehrraden museum. Hier gibt es noch einige der alten Gerätschaften.
Weiterhin besteht der Schützenverein. Als 1983 die Dorfwirtschaft Zum Goldenen Stern geschlossen wurde, haben sie in Kreuzanger kurzerhand, natürlich in Eigenleistung, ein Schützenheim gebaut. Das ist nun der Treffpunkt des Dorfes und hat jeden Freitag auch für die Allgemeinheit geöffnet. „Wir würden niemals wegziehen“, da sind sich Reinhold und Elfriede Eckl einig. „Denn wir haben in jede Richtung nur 20 Minuten – egal ob nach Bobingen, Schwabmünchen oder Fischach. So können wir immer genau dahin, wo es das Passende gibt. Und der Zusammenhalt und die Geborgenheit in unserem Dorf sind sowieso unbezahlbar.“