Wenn der Doktor E-Mails schreibt
Bei Dr. Heinz Müller habe ich mich kurz gewundert. Bei Dr. Nadine Hauptmann wurde ich misstrauisch. Und Dr. Franziska Albrecht fand ich echt unverschämt. Seit einigen Wochen gleicht mein privates E-Mail-Postfach einem medizinischen Branchenbuch. Fast täglich geht eine Nachricht eines anderen Doktors ein, der mir bei diversen gesundheitlichen Problemchen helfen möchte.
So hatte es Dr. Heinz Müller auf meinen Hallux valgus – eine Fehlstellung des großen Zehs – abgesehen und wollte mich dabei unterstützen, diesen loszuwerden. Ich habe gar keinen Hallux valgus. Allerdings hatte ich den Begriff tatsächlich erst kürzlich in die Suchmaschine meiner Wahl eingegeben. So hielt sich die Verwunderung darüber, dass plötzlich eine WerbeMail zu ebenjenem Thema in meinem Postfach landet, in Grenzen.
Dr. Nadine Hauptmann schließlich wollte mir eine Diät verpassen. Genauer gesagt fragte sie freundlich, ob ich gerne fünf Kilo in zehn Tagen verlieren wolle. Gleichzeitig bot sie mir mehrere Links an, die mich schon durch reines Klicken meiner Traumfigur näher bringen sollten. Ähnlich argumentierte Dr. Natalia Malecka einen Tag später und bewarb ein paar helfende Pillen. Nein danke, nicht notwendig, dachte ich mir und verbuchte die höflichen Nachfragen der Doktorinnen als eine leicht anmaßende Masche der Werbeindustrie. Als sich dann aber Dr. Franziska Albrecht meldete und mir unverhohlen eine Fresssucht andichtete und mir Dr. Anne Schulte eine Fettabsaugung ans Herz legte, wurde es mir zu bunt.
Ich begann zu recherchieren, wer denn hinter den unverschämten Mails steckt, und landete auf der Internetseite einer italienischen Marketingfirma. Moment mal. Italien!? Da war ich doch jüngst im Urlaub – und ja, ich habe mir das Dolce Vita jenseits der Alpen durchaus ausgiebig schmecken lassen. Hat etwa der Wirt gepetzt? Habe ich am Strand in der Badehose eine so schlechte Figur abgegeben? Sollte ich vielleicht tatsächlich über eine Diät oder Ähnliches nachdenken?
Nein, wirklich nicht! Selbstzweifel sind an dieser Stelle nicht angebracht. Spam-Mail bleibt SpamMail. Da bringe ich lieber mal meinen Virenscanner auf Vordermann. Und vielleicht gehe ich morgen zum Sport. Zur Vorsorge. Danke, liebe Internet-Doktoren.