Der Berg ruft sie oft
Gotlind Blechschmidt steigt seit über 50 Jahren auf Gipfel in der ganzen Welt. Schon im Alter von sechs Jahren war sie auf ihrem ersten 4000er. Was treibt die Augsburgerin an?
Gotlind Blechschmidt wurde das Bergsteigen schon in Kinderschuhen beigebracht: Als Sechsjährige stand sie mit ihren Eltern und fünf Geschwistern auf ihrem ersten Berg über 4000 Meter, dem Breithorn. Heute, mit 58 Jahren, war die Augsburgerin schon auf über 50 4000erBergen.
Und auch vor Bergen über 5000 Meter macht Blechschmidt keinen Halt: So stand sie etwa schon auf dem Damavand im Iran. „Dieser Berg war mein exotischster, schon allein vom Land her“, sagt sie. Der höchste Berg, auf dem die Augsburgerin je stand, ist der Kilimandscharo mit 5800 Metern in Tansania.
Doch es geht Blechschmidt gar nicht so sehr um die Höhe oder die Anzahl der Berge. Sie mache das nur für sich, sagt sie. Oben auf dem Gipfel spüre sie jedes Mal ein heftiges Glücksgefühl. Gleichzeitig sei sie auch traurig, dass dieser Berg bestiegen, dieser Traum nun zu Ende gegangen sei. „Und eine Sehnsucht nach dem nächsten Berg spüre ich auch, denn vom Gipfel kann man ja die nächsten Ziele direkt sehen“, sagt Blechschmidt. Einen Lieblingsberg könne sie unter all den Gipfeln nicht ausmachen. Auf jedem fühle sie sich irgendwie heimisch. Die Berge sind ihr vertraut.
Passiert ist Blechschmidt in all den Jahren auf den Bergen auf der ganzen Welt noch nichts Schlimmes. Einmal rutschte sie als Zwölfjährige mit ihrem Vater und ihrem Bruder die Flanke eines Berges hinab, bis der Bruder es schaffte, einen Eispickel in die gefrorene Oberfläche zu schlagen und die aneinandergebundene Familie zu halten. Blechschmidt sagt, dass sie nie das Schicksal am Berg herausfordere. „Man muss lernen umzudrehen, auf das Wetter zu hören und es vielleicht am nächsten Tag noch mal zu versuchen.“Im Haushalt hingegen habe sie sich schon zweimal den großen Zeh gebrochen, fügt sie hinzu und schmunzelt.
Blechschmidt arbeitet als selbstständige Lektorin in Augsburg. Inzwischen hat die studierte Geografin es auch geschafft, ihre Leidenschaft zu einem Teil ihres Berufes zu machen: Sie schreibt Artikel über ihre Bergtouren für Fachmagazine. Als Selbstständige sei es schwierig, Zeit für die Touren in die Berge zu finden, sagt Blechschmidt. Trotzdem ist sie einmal im Jahr auf einer größeren Tour, einem „Bergurlaub“.
Ob sich Blechschmidt auf einem solchen Urlaub erholt? „Auf einer Bergtour gibt man unglaublich viel körperliche Kraft, aber die Kraft, die man zurückbekommt, ist viel größer.“Diese positive Erschöpfung sei etwas, was sie ganz für sich allein habe. Die 58-Jährige hat drei Kinder, in der anstrengenden Zeit als junge Mutter konnte sie nur kurze Touren unternehmen. „Selbst wenn ich nur einmal im Jahr auf einen Berg konnte, hat mir das sehr viel Kraft für den Alltag gegeben.“
Ihre Liebe zu den Bergen und zur Natur konnte Blechschmidt auch an ihre Kinder weiterreichen. Sie gehen gerne mit der Mutter wandern, doch auf die hohen Berge geht Blechschmidt meistens mit ihren Geschwistern. „Wir sind ja alle zusammen in den Bergen aufgewachsen, unsere Eltern waren begeistere Bergsteiger.“Manchmal sei ihre Mutter ausgeschimpft worden, sie würde ihre Kinder zwingen. „Aber man kann Kinder nicht zwingen, ich habe das immer freiwillig gemacht“, sagt Blechschmidt.
In all den Jahren in den Bergen habe sich schon einiges verändert, erzählt die Augsburgerin: Die Ausrüstung sei leichter, die Wettervoraussagen seien genauer geworden. Als Geografin sieht Blechschmidt auch die Veränderungen, die der Klimawandel in den Bergen bringt. „Viele Berge sind heute schwieriger zu begehen, weil die Gletscher tauen und Steinschlag eine dauernde Gefahr ist.“Zudem sei das Wetter unbeständiger und extremer.
Wie lange Blechschmidt noch auf Berge jenseits der 4000 Meter steigen wird, weiß sie nicht. Noch eine Weile auf jeden Fall. Ihr Vater sei noch mit 80 Jahren Höhenanstiege von 1200 Metern gegangen. „Und selbst wenn ich das nicht mehr schaffe, werden die Berge im Alter halt einfach kleiner.“Für die Zukunft träumt sie aber erst mal vom Matterhorn. Bisher habe sie immer der Massenbetrieb von dem knapp 4500 Meter hohen Berg abgehalten. „Aber er geht mir einfach nicht aus dem Kopf, mal schauen.“
Die Bergtouren geben Blechschmidt Kraft
OIn loser Folge stellen wir auf „Region Augsburg“Menschen vor, die im Urlaub keine Souvenirs sammeln, son dern Erlebnisse – Alpenpässe, Kultur hauptstädte, Pilgerwege, Sonnenaufgän ge oder was auch immer – und darüber tolle Geschichten erzählen können.