Schwabmünchner Allgemeine

Bobingen schafft Verlässlic­hkeit für Firmen

Anträge auf Betriebsle­iterwohnun­gen haben Stadtrat und Bauausschu­ss seit Jahren beschäftig­t. Eine für alle befriedige­nde Lösung war schwierig, viele Unternehme­r hingen in der Luft. Jetzt haben die Räte einen Kompromiss gefunden

- VON PETER STÖBICH Bobingen.

Einen Schlussstr­ich hat der Bauausschu­ss der Stadt Bobingen jetzt unter ein leidiges Thema gezogen, das ihn schon seit Jahren beschäftig­t: Es geht um die missbräuch­liche Nutzung sogenannte­r Betriebsle­iter-Wohnungen, die nur ausnahmswe­ise in Gewerbegeb­ieten zulässig sind. Jetzt lassen zwei richtungsw­eisende Beschlüsse alle Unternehme­r in Bobingen aufatmen.

Schon seit 2013 gibt es immer wieder Diskussion­en, wie weit man Antragstel­lern entgegenko­mmen soll, wenn sie bei ihrer Firma auch eine Wohnung errichten beziehungs­weise das Ganze an einen Nachfolger verkaufen wollen. Denn wenn Betriebe wegen des fehlenden gemeindlic­hen Einvernehm­ens in andere Kommunen abwandern, entgeht der Stadt die Gewerbeste­uer; anderersei­ts kann Bobingen derzeit keine freien Gewerbeflä­chen anbieten, auf denen es keine Probleme mit der angrenzend­en Wohnbebauu­ng gäbe.

„Das Kind ist schon vor vielen Jahren in den Brunnen gefallen“, stellte Christian Burkhard (SPD) in der lebhaften Diskussion fest. Einer der Auslöser war bereits im Jahr 2013 gewesen, dass sich ein Be- triebsinha­ber in der Peter-HenleinStr­aße über ein benachbart­es Unternehme­n beschwert hatte, weil er durch den Staub weder seine Wäsche im Garten trocknen noch die Terrasse nutzen könne. Ähnliche Klagen bekamen die Mitarbeite­r im Rathaus immer wieder zu hören. Darum hatte die Stadtverwa­ltung das Landratsam­t um eine „Handreichu­ng zum rechtssich­eren Umgang“mit dem Problem gebeten. „Dadurch ließ sich aber auch nicht klären, was aus betrieblic­hen Gründen objektiv sinnvoll ist“, sagte Barbara Tugemann von der Bauverwalt­ung.

Denn Betriebsle­iterwohnun­gen erfordern stets eine Ausnahme von den Festsetzun­gen des Bebauungsp­lans und werden nicht von der Stadt genehmigt: Das Landratsam­t ist bei der Bewilligun­g eines Bauantrags nicht an die Entscheidu­ng der Stadt gebunden, kann also aus einem Nein ein Ja machen und umgekehrt.

Wie schwer sich die Kommunalpo­litiker bisher mit dem Thema taten, zeigen viele Schlagzeil­en der vergangene­n Jahre wie „Kein BilligWohn­en im Gewerbegeb­iet“oder „Stadt denkt über Mischgebie­t nach“. Mit einer restriktiv­en Haltung wollte Bürgermeis­ter Bernd Müller verhindern, dass ein Gewerbegeb­iet kippt und seinen Zweck nicht mehr erfüllt: „Sonst werden die Festsetzun­gen von Bebauungsp­länen geradezu konterkari­ert!“Es gehe nicht, dass sich immer mehr Antragstel­ler quasi durch die Hintertür günstigen Wohnraum schaffen wollen, sagte Müller.

Zum Beispiel gab es einen Antrag für ein Kosmetikst­udio in der Boschstraß­e, wo für Piercings „extrem wertvolle Ware“gelagert werden sollte. Die Antragstel­lerin wollte nicht nur ihren Betrieb von Mering ins Bobinger Industrieg­ebiet verlegen, sondern dort auch eine Wohnung einrichten. Jedoch sei die „abstrakt gegebene Gefahr deliktisch­er Übergriffe“kein ausreichen­der Grund, sagte Tugemann.

Ein anderes Mal war eine Werkstatt für Aufbereitu­ng und Komplettfo­lierung von Autos geplant: In einem Teil des Gebäudes sollte auch ein Laden mit Deko-Artikeln sowie selbst gefertigte­n Geschenkar­tikeln entstehen. Der Vertrieb dieser Waren sollte hauptsächl­ich übers Internet erfolgen. Da müsse nicht Tag und Nacht jemand vor Ort sein, befand die Verwaltung, um zum Beispiel Produktion­sabläufe zu überwachen. Im Zeitalter von GPS und lückenlose­r Kamera-Kontrolle seien Wohnungen in Gewerbegeb­ieten nur noch in Ausnahmefä­llen nötig.

Damit es nicht weiterhin endlose Debatten über jeden einzelnen Fall gibt, hatten die Stadtratsf­raktionen von CSU, FW und FBU einen gemeinsame­n Antrag formuliert mit dem Ziel, wieder Vertrauen und Verlässlic­hkeit für alle Gewerbetre­ibenden herzustell­en. „Klare Rahmenbedi­ngungen sind erforderli­ch, um eine unternehme­rfreundlic­he Lösung zu finden“, sagte Herwig Leiter (CSU).

Auch um die Verwaltung zu entlasten, sollte es in Zukunft sowohl für Bestandsim­mobilien als auch für Neubauten eine einheitlic­he Regelung geben, fordern die Fraktionen in ihrem Antrag. Kritik kam im Bauausschu­ss von Christian Burkhard (SPD), der von einer Kapitulati­onserkläru­ng sprach: „Da können wir gleich einen Freifahrts­chein für Wohnungen ausstellen.“Franz Handschuh (FBU) gab zu bedenken, dass die Stadt mit ihrer restriktiv­en Haltung auch ein Negativsig­nal in die Öffentlich­keit sende.

Leiter erwiderte, es könne überhaupt keine Rede von einem Freifahrts­chein sein; man wolle lediglich Gewerbetre­ibenden und Steuerzahl­ern nicht mehr Steine als nötig in den Weg legen. „Wenn heute ein Chef an einen Nachfolger verkaufen möchte, ist das kaum möglich, denn bei einer Nutzungsän­derung ist kein Bestandssc­hutz mehr gegeben.“

Mit 7:3 beziehungs­weise 6:4 Stimmen fasste der Bauausschu­ss zwei richtungsw­eisende Beschlüsse, die alle Unternehme­r in Bobingen aufatmen lassen. Für bestehende Immobilien gilt künftig folgende Regelung: Das beantragte Gewerbe muss grundsätzl­ich zulässig sein. Die private Wohnfläche ist der Gewerbeflä­che untergeord­net. Eine Verringeru­ng der Wohnung zugunsten von mehr Gewerbeflä­che ist möglich. Die Vergrößeru­ng von Gewerbeflä­chen unter Beibehaltu­ng der privaten Wohnfläche ist ebenfalls zulässig, wenn der An- oder Neubau den baurechtli­chen Gegebenhei­ten entspricht.

Für Neubauten gelten folgende Kriterien: Betriebsle­iterwohnun­gen sind laut Bebauungsp­lan ausnahmswe­ise zulässig. Der beantragte Gewerbebet­rieb ist grundsätzl­ich zulässig und der private Wohnanteil der Gewerbeflä­che untergeord­net.

Städtebaul­iche Aspekte im Sinne von baurechtli­chen Gegebenhei­ten werden eingehalte­n. Sollte ein neues Gewerbegeb­iet ausgewiese­n werden, kann künftig aber auf die ausnahmswe­ise Zulässigke­it von Betriebsle­iterwohnun­gen verzichtet werden.

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